Klatsch und Tratsch

Ein Pündericher in Nigeria Teil VI

Falls Sie die bisherigen Teile nicht mitbekommen haben –  hier eine Übersicht:
Ein Pündericher in Nigeria
Ein Pündericher in Nigeria Teil II
Ein Pündericher in Nigeria Teil III
Ein Pündericher in Nigeria Teil IV
Ein Pündericher in Nigeria Teil V

Stephan Mertes aus Olocha/ Awgu/ Enugu State/ Nigeria/ Afrika

No woman no cry! … als „Local Hero“ gar nicht so einfach!
Und…Vom Aufstehen und Fallen (Jupiter Jones)

Rund sechs Monate sind um meine Freunde und ich fühle mich hier unten immer noch bestens. Über das Wetter erlaube ich mir nicht zu klagen. Es hier schon meistens sehr heiß, aber ich habe mich ziemlich daran gewöhnt. Meine Klimaanlage läuft, wenn sie überhaupt mal läuft auf 27 Grad, was bedeutet, dass diese Temperatur für mich ein angenehm erfrischend kühles Klima darstellt. Warum ich aber nicht klagen will ist, weil ihr euch in Deutschland nach meinen Infos vor lauter Schnee gar nicht mehr retten konntet. Eins zu null für mich!

Laut, wegen der ganzen Böller, die durch die Gegend geflogen sind und der lauten aber sehr schönen Musik, die jeden Tag länger lief, als die Leute wach waren und meistens auch bis zum nächsten Morgen. Zudem wurden an vielen Stellen auf den Straßen alte Autoreifen angezündet, was mit dem Staub, der von der Straße, die ja mittlerweile nur noch ein großer Feldweg ist, am Abend so aussah, als wäre es neblig, man konnte kaum weiter als 50 Meter sehen.

Hektisch, auf Grund der Tatsache, dass ich z. B. am ersten Weihnachtstag von einer Einladung zur nächsten hastend die verschiedensten Gegenden meines Bistums besucht, die unterschiedlichsten Speisen probiert und die meisten Familien meiner Freunde und dadurch die nigerianische „Weihnachtsfeierkultur“ kennen gelernt habe. Mein Magen wurde an diesen Tagen auf eine Spannungsprobe gestellt, da ich bei jeder Einladung Essen angeboten bekommen habe, welches ich als offener und höflicher Gast natürlich auch nicht ablehnen konnte und wollte. Zudem habe ich in diesen Tagen einfach zu viel Bier und Palmwein getrunken, sodass ich immer froh war, wenn ich morgens nicht in eine Messe musste.

Voll, wie gesagt wegen der vielen Menschen, die nicht nur die Kneipen sondern auch meine Mittagspausen ausfüllten.

Im Grunde also wunderschöne und anstrengende Weihnachten hier in Awgu.

Eine tolle Gemeinsamkeit zu den deutschen Feierlichkeiten gibt es aber doch: Man beschenkt sich gegenseitig. Ich habe bekommen: Bettwäsche, ohne Ende Plätzchen und Gebäck, welches sehr hilfreich war, da ich es oft dann auch als Weihnachtsgeschenk an jemand anderen benutzt habe, genauso wie die vielen Grußkarten. Zudem noch ein Bild mit einer chinesischen Frau darauf, die sowohl in Englisch als auch in Französisch frohe Weinachten wünscht und dabei verhalten freundlich lächelt. Das Beste war eine Armbanduhr, die zwar nicht funktioniert, aber gut aussieht, es geht ja um die Idee und die Tatsache dass jemand an mich gedacht hat. Die Uhr hat ein wunderschönes schwarzes Lederarmband, fast echt nur aus Acryl…Hehe…!

Als Stan meine neue Uhr sah fragte er mich woher ich die habe und er war etwas überrascht, als er auch alle meine anderen Geschenke bestaunte. Er sagte grinsend so etwas wie, dass ich zu viele Geschenke bekommen hätte, meine Antwort war frech und etwas arrogant, wie man halt mich so kennt: „Die Leute mögen mich halt.“ Er antwortete nickend: „Du bist ja auch der local hero!“ Ich habe etwas gelacht, aber ein bisschen stimmt es schon, die Leute sprechen viel von mir und über mich, egal wo ich hinkomme, die Menschen kennen meinen Namen und grüßen mich, ob alt oder jung. Immer ein großes Thema im Bistum sind meine Haare und das ich abgenommen habe und nicht mehr so stark aussehe, was ihnen nicht so gut gefällt, sie würden mich gerne so richtig fett sehen, mit dickem Bauch und vollen Wangen, damit ich dann in Deutschland erzählen könnte, wie gut das Essen hier sei, was es auch wirklich ist!

Beinahe ist diese „Onyeocha“ Mentalität verschwunden, ich bin einfach nicht mehr nur der „Weiße“, die Leute kennen mich! Die Meisten haben im Laufe der Zeit schon mal mit mir gesprochen, kennen meine Arbeit und meine Motivationen für diese Reise und halten mich glaube ich für einen guten Kerl. Das spürt man dann natürlich auch in Sachen Mädchen, welche, so wird es mir immer von meinen Kumpels und anderen erzählt, zum Großteil Gefallen an mir finden. Gut ist dann, wenn man betrachtet, das ich mir in diesem Jahr Abstinenz vorgenommen habe, dass man hier nie von einem Mädchen wirklich angesprochen wird, das bedeutet, wenn man ein Mädchen für sich gewinnen möchte, dann muss man auf es zugehen und darf nicht warten bis sie den ersten Schritt macht.

Das bedeutet konkret für mich, dass wenn ich einfach warte und mich entspanne, kann ich mein Vorhaben enthaltsam zu sein, gut und einfach durchhalten. „No woman no cry!“ Für mich immer noch das ultimative Priesterlied! Das einzige Problem besteht nur darin, dass die Mädchen in meinem Alter hier größtenteils einfach so so so gut aussehen, dass es wirklich nicht einfach ist! Ich frage mich immer, warum hier nicht Scharen von Modelagenten rumreisen, die könnten hier so viele Mädchen reich und erfolgreich machen. Es gibt hier, wie ich es auch schon in früheren Rundbriefen angesprochen habe einfach sehr viele Menschen und damit auch Mädchen. Damit will ich aber nicht sagen, dass es dann bei größerer Quantität natürlich auch mehr schöne Menschen geben muss, NEIN, die „Qualität“ der Mädchen scheint potentiell gesehen trotz erhöhter Quantität noch größer zu sein! Naja…sechs Monate habe ich sehr gut und ohne Probleme durchgehalten, warum dann nicht auch 13?! Wie gesagt „No woman no cry!“

Ich habe in diesen Tagen, als Weihnachten und Silvester schon hinter mir lagen, eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Ich bin mir nicht ganz sicher ob es eine subjektive Feststellung ist oder ob etwas mit meinen Augen nicht stimmt, aber jedes Mal wenn ich aus meinem Zimmer kam (meistens erst nach 12 Uhr mittags, weil ich wieder eine Lesewut entwickelt hatte und auch sowieso lange schlief, weil ich es auf Grund der kleinen Erkältung, die mich immer erst spät einschlafen ließ, auch wirklich nötig hatte solange zu schlafen,… wieso sollte ich meinen Urlaub nicht genießen?), kam und kommt mir bis heute alles irgendwie rot vor.

Also ja, irgendwie rot, alles was man sieht ist natürlich aus einem großen Farbspektrum zusammengesetzt, aber der Rotanteil schien und scheint irgendwie in diesen Momenten komplett zu dominieren! Es war und ist als sehe man durch eine Sonnenbrille, die einem zum einen zwar den kompletten „Durchblick“ nicht erlaubt. Zum anderen kennt glaube ich aber jeder das Gefühl, wenn man für eine Zeit durch eine Sonnenbrille blickt, die nicht nur einfach und trist alles verdunkelt und in grau-schwarz verwandelt, sondern durch eine, die alles ein bisschen „gelber“ darstellt. Es stellt sich zumindest bei mir, wenn ich ein solches Nasengestell trage eine allgemeine Heiterkeit ein, die mir ohne zu fragen ein zufriedenes Lächeln auf das Gesicht zaubert….So war und ist das hier unten,… umwerfende Momente!

Als ich dieses Gefühl das erste Mal verspürte und mich nach einigen Minuten im „Internet Cafe“ einfand um meine E-Mails zu bearbeiten, hörte ich eine liebliche Stimme aus einem der Laptoplautsprecher zu einer Musik, die ich nicht zu hundert Prozent einordnen kann, die sich wahrscheinlich irgendwo zwischen Reggae und R&B finden lässt, eine wunderbare Melodie singen. Ich bat natürlich sofort darum mir die Unbekannte Musik auf meinen USB-Stick ziehen zu dürfen, was dann auch sofort geschah, ich hörte mir die zwei Lieder durch und bin von diesem nigerianischen Mädchen namens „Asa“ nach wie vor immer noch komplett begeistert. Wenn ihr es irgendwo online hinbekommt euch ein paar Tracks zu besorgen, dann scheut bitte keine Kosten und Mühen,…es lohnt sich! Sowohl die sehr kritischen Texte und die wie gesagt wunderschöne Stimme als auch die passend entspannende Musik ist wirklich sowas von anhörungswürdig, wie fast keine andere!

Zurück zu meinem Leben. Für den zehnten Januar war der Schluss der Ferien und die Wiederaufnahme des Unterrichtes angesetzt, sodass ich mich an diesem Montag gelassen und glücklich darüber, dass meine Ferien, die mir schon etwas langweilig geworden waren, zu Ende waren auf den Weg zur Schule machte. Ich hatte zwar damit gerechnet, dass der Lernenthusiasmus und der Unterricht an diesem ersten Schultag ein wenig zu wünschen übrig lassen würden, aber mit nur ca. zwei bis fünf Schülern pro Klasse hatte ich nicht gerechnet. Erst am nächsten Tag würde ich erfahren, dass bis zum 31. Januar die Schule aufgrund der Wählerregistrierung geschlossen sein würde.

Zum einen war und ist das für mich erst mal einfach unverständlich, warum ein Kindergarten und eine Grundschule wegen der Registrierung von Wählern kurzzeitig geschlossen wird, da ja diese ganzen Kinder mit der Wahl recht wenig am Hut haben. Zum anderen musste ich mich auf weitere drei Wochen nichts tun einstellen, was mir persönlich die größten Kopfschmerzen bereitete, da ich einerseits nicht mit Langeweile umgehen kann und ich andererseits, so kitschig das auch klingen mag, meine Kinder in der Schule wirklich sehr vermisste. Naja was soll man machen? Es war eine Anordnung vom Präsidenten. Ein Hoch auf His Excellency Dr. Goodluck Jonathan!…Spielverderber!

So saß ich dann ein paar Tage ab, bis ich es durchsetzte mit Stan und einer Nonne nach Enugu zu fahren, wo ich nicht nur endlich ein wunderschönes „Egwe“ (afrikanisches Holzinstrument), welches ich schon im letzten Rundbrief angesprochen hatte, mein eigen nennen durfte, sondern ich auch einen Laden mit dieser atemberaubenden afrikanischen Kunst fand. Ich hätte am liebsten alles gekauft, musste aber, weil ich zu der Zeit kein Geld hatte, den Laden mit dem Versprechen wieder zu kommen mit leeren Taschen verlassen. Nichtsdestotrotz war es ein schöner und erfolgreicher Tag, denn zumindest weiß ich jetzt wo der Laden ist und ich habe mein geliebtes „Egwe“ dessen Klang meinen Mitbewohner langsam schon zu nerven beginnt,…. Aber naja ich habe jetzt eins und damit will ich auch spielen!

Dann hieß es auch schon Vorbereitungen treffen und zwar Vorbereitungen für das am zehnten Februar anstehende Zwischenseminar in Ghana. Konkret musste ich nach Abuja und mir bei der Ghanaischen Botschaft ein Visum besorgen. Samstagabends sprach ich mit Stan darüber, wann wir nach Abuja reisen könnten um alles zu erledigen und zu meiner Freude kam die Antwort schnell und konkret. Wir planten schon am Montagmorgen, also in den kommenden zwei Tagen einen Flug nach Abuja zu nehmen. Ich war froh, gelassen und zuversichtlich, dass alles schon irgendwie richtig und ohne Probleme über die Bühne gehen würde und wartete bis zum Sonntagabend um dann nochmal nachzufragen, ob wir denn jetzt morgen früh fliegen würden. Die Antwort die ich da bekam war schon etwas schwammiger. Es wurde mir gesagt: „Ich weiß nicht genau, ich denke morgen nicht, vielleicht Dienstag und vielleicht musst du auch allein fliegen.“ Ich war ein bisschen nervös, da ich aus Erfahrung weiß, dass so eine Beschaffung eines Visums immer eine zähe, langweilige und zeit-, Geld- und nervenverzehrende Angelegenheit ist.

Ich sagte höflich aber bewusst schubsend, dass es langsam Zeit wird die Sache anzupacken und dass es ja nur noch vier Wochen bis zum Seminar wären. Darauf bekam ich dann die Antwort, die man in Nigeria, oder vielleicht sogar in ganz Westafrika immer bekommt: „No Problem, it is not that difficult!“ „Kein Problem, so schlimm ist das doch nicht.“ Sowieso, scheint hier unten nie irgendetwas ein Problem zu sein, selbst wenn man vor einem offensichtlichen und unübersehbaren Problem steht, lautet die Antwort: „Kein Problem“….afrikanische Mentalität oder ein gewisser Galgenhumor? So kam es dann, dass ich montagabends wieder nachfragte ob ich oder wir denn morgen gehen würden oder nicht gehen würden. Die Antwort war: „Ich sag dir noch Bescheid, ob und wann du gehst, ich ruf dich an.“ Ich gab einfach auf, ging in mein Zimmer und ruhte mich aus. An Schlaf war nicht zu denken, denn ich wartete ja auf den Anruf von Stan. Um halb drei Uhr morgens hatte ich auf gut deutsch gesagt erstens die Schnauze voll, zweitens war ich müde und drittens war ja offensichtlich nicht mit einer Abreise am folgenden Morgen zu rechnen, da ja kein Anruf kam.

Als übervorsichtiger und organisierter Europäer stellte ich mir den Wecker aber trotzdem auf halb acht, um auf alles vorbereitet zu sein. Und ich hatte eine gute europäische Wahl getroffen, denn als um 7:34 Uhr der Anruf von Stan kam, wusste ich um 7:36 Uhr, dass er mich um 8:00 zum Flughafen fahren würde, denn um 8:50 Uhr würde mich von da ein Flugzeug nach Abuja bringen. Dass hieß für mich, innerhalb von 24 Minuten, waschen, rasieren (In einer Botschaft muss man ja ordentlich aussehen) und für eine unbestimmte Zeit, die zwischen zwei und acht Tagen liegt, packen. Ein Ding der Unmöglichkeit, aber ich schaffte es und zu meiner Freude, funktionieren sogar die Flughäfen hier unten nach der afrikanischen Zeit, dass heißt mit mindestens einer Stunde Verspätung, sodass ich im Auto und auf der unbequemen Eisenbank im Flughafen ein wenig von meinem versäumten Schlaf nachhohlen konnte.

In Abuja angekommen, holte mich eine Sister ab und brachte mich ins „Kloster“, eines wie das in Enugu und sogar vom selben Orden, die Dinger sind einfach immer wieder klasse! Man trifft immer wieder tolle und interessante Menschen, mit denen man richtig gute Gespräche führen kann. Diesmal handelte es sich um eine Dänin, die seit zwei Jahren hier in Nigeria an einer Secondary School unterrichtet, ein altes nigerianischen Ehepaar, dass seit langer Zeit in Kanada lebt, einen nigerianischen Priester, der in Ungarn lebt, einen amerikanischen Jura Professor , der für zwölf Jahre in Jos an der Universität unterrichtete und eine nigerianische Mikrobiologieprofessorin aus dem Niger Delta. Ich kann euch sagen, das waren sehr interessante und wunderbare Gespräche, die sowohl Frühstück als auch Mittag- und Abendessen erst so richtig würzten. Die Botschaft hatte natürlich schon pünktlich um ca. 2 Uhr mittags geschlossen, sodass ich müde aber guter Dinge meine Visumsbeschaffungsaktivitäten am nächsten Morgen in Angriff nehmen wollte.

Am Mittwoch fuhren ein Fahrer und ich um ca. 7 Uhr in einem Ding, was man nur mit größter Gutmütigkeit oder als Blinder als Auto identifizieren könnte zur Botschaft. Trotz der aufgrund einer eher unbequemen Magenverstimmung, die mich erst sehr spät in das Land der Träume entweichen lies, harten Nacht und dem Stau, der die normalerweise halbstündige Fahrt zu einer zweistündigen machte, betrat ich guter Dinge und mit bester Laune die „Ghana High Commission“. Ich war sogar schon fast euphorisch, als ich sofort drankam und einen freundlichen jungen Beamten vor mir hatte. Nach einem halbstündigen Gespräch waren meine Füße nicht nur wieder auf dem Boden, sonder ich steckte, bitte entschuldigt meine Ausdrucksweise, bis zum Hals in der Scheiße und aus dieser Position war von meinen Füßen wenig zu sehen. Keine „Greencard“, kein „resident Permit“, kein Visum! Ich konnte diesem jungen Mann solange erklären wie ich wolle, dass ich keine Arbeitsgenehmigung habe, weil ich ja so gesehen nicht arbeite und sondern Freiwilliger bin und dass ich mit meiner Arbeit nichts verdiene, sondern ja hier freiwillig bin. Frei von Gehalt und willig zu arbeiten! Es war nichts zu machen, ich war niedergeschlagen und der erste Hass auf Bürokratie und Botschaften entflammte sich in mir.

Ich bin einfach für diese Sachen nicht cool und gelassen genug, ich sehe immer noch Aspekte wie: „Ich will doch nur für eine Woche nach Ghana, will niemanden umbringen und ich verspreche mich auch zu benehmen.“, also quasi die menschliche oder emotionale Ebene. Das interessiert diese Bürohengste aber nicht im Geringsten. Bei diesen Angelegenheiten muss man cool sein, lügen, betrügen, umgehen und tricksen und dafür fehlen mir einfach die Gewandtheit, die Gelassenheit und die Kaltschnäuzigkeit.

Niedergeschlagen kam ich in meiner Unterkunft an und brachte mein Handy zum glühen. Ich informierte mich bei vielen und viele über meine Situation. Ich hatte großes Glück in meiner Mutter so eine unermüdliche Hilfe zu finden, sodass sie nicht nur mit SoFiA, sondern auch mit Fid telefonierte und so den wesentlichen „Gegenangriff“ in die Wege leitete. Ich telefonierte zu der Zeit mit Gerhard Öhler, dem Tiroler Entwicklungshelfer aus Enugu, der mir erstens mit bestem Rat zur Seite stand und zum anderen über seine Connections einiges in die Wege leiten konnte, einem Mann aus Ghana namens Mr. Ocloo, der mir sein Einladungsschreiben leider erst schickte, als ich das Visum schon in der Tasche hatte und mit Father Stan, dessen Empfehlungsschreiben ich zusammen mit dem von Peter Nilles (SoFiA) glücklicherweise schon freitags ausdrucken konnte.

Zuerst war aber erst mal der Donnerstag. Ich fuhr morgens zuerst zur deutschen Botschaft, die mir ohne lästige Fragen und Misstrauen sofort ein Empfehlungsschreiben mit der Bitte an die ghanaische Botschaft ausstellte, mich doch bitte einreisen zu lassen. Mit diesem Dokument als Waffe stieg ich also dann guter Dinge in den Ring um in der zweiten Runde des Kampfes „Steph gegen Botschaft“ mein bestes zu geben. Ich war stark, aber noch nicht erfahren genug, denn dieses Schreiben der deutschen Botschaft entlockte dem kühlen Beamten in der ghanaischen Botschaft gerade mal ein Schmunzeln, als er mich ohne Visum und ohne Chance zum gehen aufforderte….Kinnhaken!!

Naja,…wie gesagt konnte ich Freitag die Schreiben aus Awgu und Deutschland ausdrucken. Ich fuhr, also diesmal wirklich gerüstet zur Botschaft, in der ich mittlerweile Stammgast war und legte dem Beamten die Dokumente vor. Er las, dachte nach, sah mich an, dachte nach, las, sah mich an, ging aus dem Raum und kam mit einem Dokument wieder, das ich bitte ausfüllen sollte. Ich grinste bis über beide Ohren und ich wusste, „jetzt habe ich gewonnen“ Ich Stephan Mertes hatte, zwar mit der Hilfe von unzähligen Mitkämpfern, das große Biest besiegt. Ich bezahlte die Gebühr von 3000 Naira (ca. 15 Euro) und verschwand, nachdem ich die Zusage bekam, dass er mich am Montag kontaktieren würde, er müsste den Antrag nach Ghana schicken und da würde sich entscheiden, ob das Visum erteilt würde. Eigentlich war noch nichts wasserdicht, aber wie gesagt, ich wusste, ich hatte gewonnen!

Ich gönnte mir abends zwei Bier, sogar Heinecken gab es da und schlief gut gelaunt ein. Samstags fuhr ich zum Flughafen, denn da gibt es einen Master Card Geldautomaten, das bedeutete ich konnte mein Budget wieder auffüllen, was auch bitter notwendig war. Ich schlenderte dann abends noch ein bisschen durch diesen Vorort Abujas und fand ganz am Ende der Straße in einer kleinen Nische ein klitzekleines Geschäft mit Bildern, die mir den Atem verschlugen. Ganz ganz tolle afrikanische Kunst gab es da zu kaufen und mein Herz tanzte! Ich hatte mal wieder kein Geld dabei, also wollte ich später wiederkommen.

Der Sonntag war sehr langweilig, abgesehen von der Morgenmesse, bei der eine richtige Gospelband spielte, die erst durch die übergewichtige schwarze Frontsängerin einen atemberaubenden Sound erzeugte, nichtsdestotrotz war der Bassist natürlich ein Gott….Gänsehaut!


Das entdeckte ich beim Rumlaufen in dem Vorort, indem auch das Kloster war, auf der Mauer einer Grundschule…Sehr gut!

Dann war Montag. Ich war früh wach und wartete, wartete und wartete auf den Anruf, der aber nicht kam. Nachdem ich genug vom warten hatte, blieb mir nichts anderes übrig als zu warten, also wartete, wartete und wartete ich. Bis meine Mama mir eine sms mit dem Inhalt: „Fahr endlich“ schickte. Ich rief meinen Fahrer, der mittlerweile auch mein Kumpel und Stadtführer war an und wir fuhren einfach. Ich sah die Moschee, ein riesengroßes wunderschönes Gebäude mit vier Türmen und einer goldenen Kuppel, die wie ich erfahren habe wirklich aus echtem Gold besteht, den Dom, ein eher gewöhnungsbedürftiges eckiges Gebilde mit komischen Spitzen überall, ich sah die „Central Bank Of Nigeria“ ein Koloss von einem Geschäftsgebäude. Ich sah Häuser der reichen, die vor Dekadenz und Geld stanken. Im Großen und Ganzen konnte ich bewundern was alles und wie genau Nigeria NICHT ist. In diesen Bezirken schien es keinen Dreck, keine Menschen, kein Leben zu geben, die einzigen Gestalten die man zu Gesicht bekam waren Security Typen und schwere Männer in schweren Autos mit getönten Scheiben. Naja trotzdem ein Erlebnis, obwohl ich eher erschreckt darüber war, wie man so dreist sein kann.

Die Moschee, ein überwältigendes Gebäude!

Dann aber war auf einmal alles schlechte, die ganze Hektik und Angst der letzten Tage vergessen, nämlich als ich das „Art n Craft Village“ betrat. Ein kleines Dorf mitten in der Großstadt, das genauso aussieht wie es in Nigeria vor vielleicht 200 Jahren noch war. Das tolle, aber auch leider mit diesem typischen Touristenbeigeschmack war, dass in diesen alten Rundhäusern mit Strohdach, kleine Künstler ihre Werke produzierten, ausstellten und verkauften. Da platze mir der Kragen, ich hatte Geld, Lust und höchstes Interesse mir alles zu kaufen was ich mir leisten konnte und ich war drauf und dran das auch zu tun, aber bevor ich auch nur ein Teil kaufen konnte, sagte Chinedu (der Fahrer, Freund, Stadtführer) zu mir, wir sollten doch erst mal alles begutachten, Preise vergleichen, handeln, etc. …..Danke Chinedu.

Abgesehen von zwei Figuren und zwei Masken, die ich dann am Ende mein Eigen nennen durfte interessierte mich nur ein ganz bestimmtes Bild. Ein Acrylgemälde auf dem Haussa Nomaden aus dem Norden des Landes in ihren traditionellen Gewändern dargestellt sind. Ich unterhielt mich lange mit Stephen, dem Künstler und wir hatte ein super Gespräch, bis ich die Frage nach dem Preis stellte. 12000 Naira. Buff. Meine Antwort nach dem ersten Schock: „Es tut mir Leid mein Freund, aber das kann ich mir beim besten Willen nicht leisten, ich glaub ich schau mich noch ein bisschen um, denk nochmal drüber nach und komm vielleicht später wieder.“ In diesem Moment kam seine Frau und gleichzeitig Verkäuferin in den Laden, bemerkte mein Interesse an dem Bild und fragte Stephen welchen Preis er mir genannt hätte.

Als sie hörte er habe mir das Angebot mit den 12000 gemacht fing sie an zu schreien und verfluchte ihn, wie er so dumm sein könnte ein solches Bild zu so einem Preis zu verschleudern. Naja ich grinste in mich herein und ging. Als wir auf dem Weg zum Auto wieder an dem Laden vorbeikamen rief mich Stephen in Igbo also mit „Bia“ zu sich. Er fragte mich wie viel ich denn bereit wäre zu bezahlen. Ich wusste dieser Mann ist sehr selbstbewusst und von sich überzeugt, aber wie konnte ich ihm das verdenken, er hatte ja nun mal die mit Abstand besten Bilder gemalt, die ich bisher in Nigeria hatte bewundern können. Ich sagte nur, dass meine Preisvorstellungen ihn niemals zufriedenstellen könnten und dass ich das Bild wohl oder übel an seinem Platz lassen müsste.

Er war ein Igbomann, er staunte über die Igbo worte die ich von Zeit zu Zeit benutzte und war auch etwas davon angetan, dass wir beide Namensvettern waren. Er fragte mich was ich denn arbeiten würde und warum ich kein Geld hätte. Nach meiner Antwort, dass ich freiwillig für ein Jahr nicht nur in seinem Land sondern sogar in seinem Stamm Kinder so zu sagen kostenlos unterrichte, hielt er einen Moment inne, sah mich an, ich sah ihn an, er lächelte und sagte so leise, dass seine Frau davon draußen nichts hören konnte: „Gib mir 5000, du bezahlst nicht für das Bild und auch nicht für meine Arbeit Steve-O, du bezahlst für ein Geschenk.“ Ich war gerührt und begeistert, versuchte aber auf die Aufforderung meines Begleiters noch einen Tausender rauszuhauen, was aber vergebens war. Ich gab ihm 5000 nahm das Bild, wir schüttelten uns die Hände und gingen glaube ich beide glücklich und zufrieden unserer Wege… Manchmal weiß man einfach, dass man nicht übers Ohr gehauen wird!

Dann war es Zwei Uhr und ich wusste, das ist die Zeit in der die Visaabteilung in der Ghana High Commission schließt. Ich und Chinedu waren uns sehr schnell einig, dass ich es trotz ausbleibendem Anruf versuchen sollte. Mit der Ausrede mein Akku wäre morgens leer gewesen und ich hätte ja theoretisch einen Anruf verpasst haben können, bewaffnet ging es nun schon wieder in die Höhle des Löwen. Und was sah ich da… Der Mann kam bevor ich guten Tag sagen konnte mit meinen bearbeiteten Papieren auf mich zu, sagte: „einen Moment bitte“ verschwand in einem anderen Büro, kam nach ca. 10 Minuten heraus und drückte mir mit den Worten: „You are a lucky Boy!“ mein Visum in die Hand.

Mein ganzer Körper mit all seinen Atomen feierte eine private Party im inneren meines Bauches, ich war wieder der glücklichste kleine Junge auf der ganzen Welt. Was mir aber nicht aus dem Kopf geht ist, dass der Mann mich offensichtlich erwartet hatte und sogar bestens für mich vorbereitet war. Ich frage mich immer wieder, warum es keinen Anruf gab. Ich wette, dass wenn ich nicht von selbst gekommen wäre, hätte ich Dienstag noch kein Visum bekommen… Ach unergründliches Afrika mit deinen unergründlichen Bewohnern!….Naja egal, das war ein klarer Sieg nach Punkten, zwar kein K.O., aber ein Sieg!!!

Dienstags um 12 Uhr ging mein Flieger zurück nach Enugu. Nachdem ich mich am Morgen von meinen Schwestern im Kloster verabschiedet hatte, die mir Tausend mal sagten, wie sehr sie mich doch vermissen würden, Chinedu mich zum Flughafen gebracht hatte und ein schönes Trinkgeld kassiert hatte, kam ich um ca. 17 Uhr in Awgu an und begann das was ihr hier über Abuja, Visum, Kunst und vom Aufstehen und Fallen eines Freiwilligen fast 20 jährigen Jungen in Nigeria gelesen habt aufzuschreiben.

Damit will ich auch schließen. Ich kann ja nicht immer 15 Seiten vollmachen mit meinem Gelaber und außerdem ist jetzt ein gewisser Abschnitt meiner Zeit hier zu Ende aber dafür habe ich ja dieses Mal zwei Bilder für euch. Ca. sechs Monate, also ein ganzes halbes Jahr bin ich nun hier unten und setze einen Fuß vor den anderen. Die nächsten Schritte werden, wenn nichts dazwischen kommt, zehn Tage Schule, ein Seminar in Ghana und der Besuch meiner Eltern hier unten sein. Darauf könnt und solltet ihr euch jetzt genau wie ich freuen und mit mir ein weiteres Mal ein köstliches Bier genießen, das Beste, was von der Kolonialzeit der europäischen Herren nach Afrika übergeschwappt ist!

Gute Nacht Deutschland, gute Nacht Afrika, gute Nacht Botschaften, gute Nacht Egwe, gute Nacht meine Masken und Skulpturen, Gute Nacht an die, die ich liebe, gute Nacht Tag.

Ndu di mmadas Leben ist schön!

Euer Onyeocha

Steph

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