Klatsch und Tratsch

Ein Pündericher in Nigeria Teil II

Stephan Mertes aus Awgu

Ich weiß es ist eigentlich zu viel und zu früh für meinen zweiten Rundbrief in der siebten Woche und ich will auch nicht nerven, aber ehrlich gesagt habe ich viel zu schreiben und vielleicht sogar ein bisschen Angst etwas zu vergessen, wenn ich den nächsten Rundbrief erst in ein oder zwei Monaten schreibe. Ich bitte also um Nachsicht.
Zu allererst möchte ich etwas über die Bedeutung meiner Rundbriefe, die ich schreibe loswerden. Sie sind dafür gemacht um Interessenten, Freunde und natürlich meinen Solidaritätskreis über mein Befinden, meine Arbeit, ja mein ganzes Leben hier zu informieren. Ich möchte aber eines sagen: Es sind immer sehr sehr schöne Sachen zu lesen, wie zum Beispiel über die Kinder, die Musik und die Höflichkeit und Fröhlichkeit der Menschen hier, aber beim Lesen sollten natürlich auch die Sachen zum Ausdruck kommen, die mich bestürzen und oft traurig werden lassen. Lasst mich aber erklären: Ich versuche beide Seiten zu zeigen und so gut wie möglich zu erklären, aber bitte seit beim Lesen vorsichtig! Ich möchte euch nicht durch die Berichte des schönen verklären und genauso wenig die schlechten Sachen dramatisieren, also bitte liebe Leser und Leserinnen, passt auf, dass sich euer Afrikabild nicht zu einer romantisierten „Rosamunde Pilcher“ Szeneentwickel, oder es sich zu einer Horrorphantasie wird.

Zu Beginn werde ich ein Zitat aus dem Song „Atlantic City“, den ich komischer Weise hier nicht oft genug hören kann, von „Bruce Springsteen anbringen, (An dieser Stelle, danke Bodo, dass ich von dir im Unterricht mehr lernen durfte als „nur“ Englisch, ich habe wirklich viel mitgenommen!). „Down here it`s just winners and losers and don`t get caught on the wrong site of that line!“, lasst es mich frei übersetzten:“Hier gibt es nur Gewinner und Verlierer und hüte dich auf der falschen Seite erwischt zu werden!“ Zwar geht es in dem Stück eher um einen geplatzten „American Dream“, aber ich finde diese Stelle spiegelt sehr gut die oftmals ausweglose soziale Lage der meisten Menschen hier wieder. Sowohl im Vergleich der gemeinen Bevölkerung zu den „Big Men“ in ihrem eigenen Land, als auch in Relation zu den Menschen aus meiner alten Heimat und anderen Industrie-und Dienstleistungsstaaten.
Man könnte es vielleicht so sagen:“Hoffe, hoffe inbrünstig und bete ausgiebig dafür, dass die alte, verrostete, krumme und ungleiche Münze, die schon vor oder bei der Geburt eines jeden Menschen geworfen wird, auf der richtigen Seite landet!“, dass das unfair ist und das es fast nie an den Handlungen, der Tatkraft, der Intelligenz oder dem Ehrgeiz des jeweiligen liegt, wie die Münze landet, brauche ich glaube ich nicht zu erklären. Es ist ein Glückspiel, oder vielleicht sollte ich „Unglücksspiel“ sagen, das trifft es glaube ich besser!

Ich habe vor ein paar Wochen von einer Freundin, die in die Stadt zurückgekehrt war um ihre Abschlussprüfung zu machen erfahren, dass sie diese nicht machen konnte, da die Lehrerschaft auf Grund von ausbleibenden Gehältern streikte. Wie unfair ist das? Wie ungerecht sind so viele Sachen und Tatsachen hier? Ich könnte mich jedes Mal wieder aufregen, was mir schon oft genug passiert, wenn ich wieder von so einer totalen Frechheit erfahre. Zum Beispiel: Anfang dieses Monats kamen Baumaschinen ins Dorf und ich fragte einen Freund fröhlich über den scheinbaren Aufschwung durch die Ausbauung von einfach nur irgendetwas, also die Verbesserung, von z.B. der Infrastruktur:“ Was ist los, wird die Straße neu gemacht?“, er antwortete:“Ja, der Gouverneur besucht das Dorf“. Ich bin innerlich vor Wut geplatzt! Die Straße wurde für den Gouverneur neu gemacht, den Mann mit dem besten Auto, mit der besten Federung. Ich dachte:“der Typ spürt doch im Gegensatz zu dem Rest der Menschen sowieso keinen Hubbel und kein Schlagloch!“ Wie unfair und unglaublich scheiße ist das, wenn nur was passiert, wenn einer dieser „Big Men“ in der Nähe ist? Der einzelne spielt hier leider eine so kleine Rolle, dass es mich oftmals erschaudern lässt.

Hier waren anfangs des Monats einige Nonnen aus den USA, Polen, etc. Es wurde eine kleine Willkommensfeier in der Kathedrale von den „Juds“, der Jugendorganisation von Awgu für die ausländischen Glaubensschwestern gemacht. Sie bekamen einheimische, traditionelle Kleider und Schmuck angelegt und zum ersten Mal hier war ich in der Position, jemandem zu erklären, was welche bestimmten Gesten oder Rituale, wie z.B. der Verzehr von Colanüssen mit scharfer Erdnussbutter zu bedeuten haben. Ich fühlte mich großartig. Nachdem ich den „King“, den Kopf der Jugendorganisation, der mit prächtigen traditionellen Kleidern und Reliquien ausgestatten war, fragte was das alles soll, sagte er mir mit einem riesen großen Grinsen:“ Du bekommst das auch, wenn du wieder nach Hause fährst.“ Am nächsten Tag wurde er deutlicher, als ich ihn in einem der Läden, in denen man wirklich alles kaufen kann traf. Er sagte, dass ich unter anderem eine rote Kappe bekommen würde, weil er mich möge und weil ich seine Organisation bereichere. Ich durfte dann ein paar Tage später von einem Freund erfahren, dass es eine Ehre wäre die „rote Kappe“ zu tragen, sie kennzeichne normalerweise den „Chief“ eines Dorfes, einen der ältesten Männer im Dorf, der so ungefähr die Position eines Bürgermeisters einnimmt, aber eher konstitutionell agiert, dass heißt er repräsentiert, hat aber tatsächlich weder mit Exekutive, Legislativ noch Judikative etwas am Hut. Allein ihm ist es normalerweise vorbehalten eine rote Kopfbedeckung zu tragen……tolles Gefühl……yeah ich krieg eine geschenkt!!!!!
Ich habe mitte des Monats ein tolles Kompliment bekommen. Als ich mit einem jungen Mann ein bisschen auf dem Weg zur Arbeit quatsche und wir an der Kathedrale stehen blieben, weil er dort zu arbeiten hatte, erzählte er von sich, seinem Leben, seiner Arbeit und ich tat das Gleiche. Er wunderte sich, dass mich alle Leute und Kinder kannten und grüßten. Er fragte mich wie lange ich schon hier sei und ich antwortete:“ca. sechs Wochen, wieso?“ Er starrte mich verwirrt an und sagte:“ Wieso kennt dich hier jeder, ich dachte du wärst schon ein Jahr oder so hier.“ Ich habe mich darüber sehr gefreut und fühlte mich auch ein bisschen bestätigt…..toll!

Um zum Inhalt des Gesprächs zurück zu kommen: Wir redeten über meine und seine Arbeit und er sagte mir auch was er bei seiner schweißtreibenden Beschäftigung (er setzte Grenzsteine für ein Blumenbeth rund um die ganze Kathedrale) verdiene. „1000 Naira am Tag“, ich dachte zuerst:“ohh das ist doch eigentlich echt noch eine recht üppige Summe.“ Als er weitersprach und ich im Kopf den Betrag in Euro umrechnete (ca. 5 Euro), erklärte er, dass das Geld ungefähr für Frühstück, Mittagessen und Abendbrot reiche, wenn keine anderen Kosten anfallen würden. Ich dachte wieder:“Hmm 3 Mahlzeiten, eigentlich ist das doch noch geradeso ok, im Gegensatz zu anderen wirklich sehr armen Menschen hier.“Ein paar Sätze später erzählte er von Kindern und Frau und ich schämte mich innerlich so unglaublich für meine dumme Einschätzung. Zudem erkannte ich im Laufe des Gesprächs, nachdem er mir erklärte, dass er vor fünf Jahren seine „Secondary School“ (vergleichbar mit Realschule oder sogar Gymnasium, da man sich mit dem Abschlusszeugnis für einen Studienplatz bewerben kann) abgeschlossen hatte und seitdem vergeblich einen Job am suchen ist, dass diese Arbeiten die er macht nur Gelegenheitsjobs waren, es also auch Tage und sogar Wochen gibt in denen er ohne die 1000 Naira auskommen muss.

Fragt mich bitte nicht, wie das zu schaffen ist mit Frau und Kindern. So sehe ich hier jeden Tag Überlebenskünstler, für die jeder Tag eine neue Herausforderung ist, Menschen die auf keine Versicherung zurückgreifen können oder sich mal eben bei einer Bank einen Kredit nehmen können. Das ist, so schätze ich es nach vielen Gesprächen über ähnliche Themen und Umstände ein, ein unglaublich hartes und auch sehr undankbares Leben. Um die Situation dieses wirklich ausgesprochen angenehmen Mannes namens „Prince“ noch ein bisschen zu verdeutlichen, erzähle ich auch, was er mir am Abends sagte, als seine Arbeit getan war, nämlich das er noch zum Bach gehen müsse, ich fragte ihn wozu das gut sei. Er antwortet mir verwirrt über meine dumme Frage, dass er sich nach der Arbeit gerne waschen würde.

Meine Arbeit. Ja,… ich bekomme immer mehr Schüler und es ist manchmal stressig vielen neuen Leuten alles einzeln neu zu erklären, aber umso motivierender, wenn ich merke, ein Schüler oder eine Schülerin ist talentiert und begabt und lernt schnell. Ich habe mit einem solchen sehr talentierten Jungen jetzt trilingualen Unterricht, das heißt konkret, er lernt bei mir gleichzeitig Deutsch und Französisch und das alles auf Englisch und er ist besser und schneller als so manch anderer. Bei meinen Gitarrenschülern sitzen so langsam die ersten fünf Akkorde und ihre Augen beginnen zu leuchten, wenn sie dann eine Akkordfolge spielen und ich beginne zu singen, weil es genau die vier Akkorde in der richtigen Reihenfolge sind, die zum Beispiel den Song „Restless“ von „Rumbleseat“ ausmachen. Ich habe begonnen in der Primary School (Grundschule) zu unterrichten, Französisch und Musik, es läuft echt sogar noch besser als ich es erwartet hatte. Ich fühle mich echt sehr wohl mit meinen Kindern, die meistens im Alter zwischen 6 und 10 sind und sie, mit ihren blauen Uniformen fühlen sich bei mir glaube ich auch sehr wohl, da ich unter anderem auch darauf verzichte, schlagen als Bestrafung für abweichendes Verhalten zu verwenden und zu praktizieren. Meine Chefin, eine Ordensschwester schwärmt von mir, also mach ich meine Sache anscheinend ganz gut. Mein Name für die Schüler ist „Uncle Steven“, „Onkel Stephan“,….ich muss zwar jedes Mal ein bisschen schmunzeln wenn sie mich so nenne, aber es gefällt mir schon ganz gut!

Wie schon im ersten Rundbrief erwähnt ist der sogenannte „Kulturaustausch“ ein maßgeblicher Bestandteil meiner Arbeit hier, also zum Beispiel auch schwierigen Gesprächen nicht aus dem Weg zu gehen sondern daraus zu lernen. Zu dieser Arbeit kann ich nur sagen: Lest den Rundbrief, er handelt von fast nichts anderem.“ Die Kunst des Ibo-Sprechens zu erlernen, gestaltet sich weiter schwierig und sehr kompliziert, aber langsam geht es voran.

Jetzt muss ich aber auch mal ein bisschen lästern. Es ist eher als Witz gemeint, da ich mich eigentlich was meine Versorgung und Ähnliches angeht nicht beschweren kann. Ich bin hier echt gut behütet und mir geht es prächtig abgesehen von einer kleinen Erkältung und einem entzündeten Ringfinger. Zurück zum Lästern: Man kann sich hier in Sachen Strom auf wirklich nichts verlassen, weder das man welchen hat noch das er ausbleibt, wenn er einmal aus ist. So habe ich mir wie schon gesagt eine Erkältung in den eigentlich sehr warmen Tropen eingefangen. Als ich eines Abends nach Hause kam und keinen Strom hatte, schlief ich seelenruhig in meinem Bettchen ein und als ich am nächsten Morgen aufwachte musste ich voller Erstaunen feststellen, dass ich Schnupfen hatte, mir alles wehtat und mir für das gewohnte Wetter hier ungewöhnlich kalt war. Ich öffnete die Augen und sah die Klimaanlage in Hochtouren laufen und ich stieß einen „Scheiße-Schrei“ aus, der nichts als meine eigene Dummheit bestätigte. Ich hätte ja dran denken können das Ding auszuschalten. Naja nicht ohne Grund buchstabieren einige Nigerianer und Innen ihre Stromgesellschaft „NEPA“ etwas anders:“Never expect energy again“, was soviel bedeutet wie:“Erwarte niemals wieder Strom“. Dies ist natürlich auch nur ein kleines Späßchen, aber es steckt ein wahrer Kern in dieser Phrase. Es fällt schon auf, wie oft das Stromnetz beim kleinsten Schauer zusammenbricht, oder wieder etwas von einem dieser „NEPA-Streiks“ zu hören ist.

Als nächstes muss ich von der Kirche hier berichten. Mit ihren 4-5 stündigen Messen, die mir wie halbstündige vorkommen…es ist keine Sekunde langweilig. Ich bin jedes Mal wieder aufs Neue unglaublich euphorisiert und begeistert, wenn ich sehe wie die Menschen hier ihren Glauben zelebrieren. Wie sie ihre Arme ausbreiten oder in die Luft strecken, als wollten sie jeden Partikel dieser unglaublichen Stimmung und damit „ein Stück Gott“ einfangen. Gesänge und Musik, bei denen ich andauernd Gänsehaut bekomme und ich teilweise wie paralysiert dasitze oder stehe und mich nicht mehr bewegen kann, abgesehen von meinen Füßen, die sich selbstständig zu machen scheinen und es für mich keine Möglichkeit mehr gibt sie davon abzuhalten sich in diesen unglaublich mitreißenden Takten zu bewegen. Ich höre Predigten, welche die Menschen bewegen und die sie dazu bringen sich zu bewegen. Sie rufen „JA“, „AMEN“ oder „Halleluja und es nicht nur ein Wort, es ist ein Gefühl, in dem einfach so unglaublich viel Glaube, Überzeugung, Energie und Leben drinsteckt. Sie tanzen, nicht weil ihnen langweilig ist oder sie nicht andächtig sind, NEIN im Gegenteil, sie drücken damit so viel aus und leben, verarbeiten und verinnerlichen so viel. Das könnte einen Kritiker dazu bewegen zu sagen:“Die sind ja nicht bei Bewusstsein.“, dass sie wie in einem Bann stehen und dem Priester jeden „Mist“ abkaufen. Das ist Schwachsinn, denn was die Priester hier predigen, sind Geschichten aus dem Leben.

So war ich eines Abends zu Besuch bei meinem Freund „Casimir Chibuike Onyeali. Im Fernsehen lief eine Predigt von einem Priester, der in Enugu, der nächstgrößeren Stadt predigt. Sein Name „Reverent Father Ejike Mbaka“ klingt nicht ansatzweise so unglaublich stark, wie seine Predigt. Sie erinnerte mich auf Grund ihrer unglaublichen Stärke und der wahren und unbeschreiblich treffenden Worte die dieser Mann verwendete extrem an die „I-Have-A-Dream-Rede“ von „Martin Luther King“. Bei der ich beim ersten Hören genauso einen Kloß im Hals hatte wie an diesem schwülen Abend.
Mir fällt grade auf, wo ich hier in meinem Zimmer sitze, diese Zeilen tippe und trotz der laut aufgedrehten Kopfhörer das unglaublich laute Gewitter donnern höre, wie oft ich in den letzten Sätzen das Wort „unglaublich“ verwendet habe, obwohl es den Sachen die ich damit zu verdeutlichen versuche keinesfalls gerecht wird, weil sie ja so unglaublich beeindruckend sind, aber ich weiß leider kein stärkeres Wort.

Jetzt schwenken wir den Blick auch auf die evangelische Kirche in Nigeria, die eigentlich von niemandem außer ihren eigenen Anhängern ernst genommen wird. Vorab erstmal, ich habe nicht das Geringste gegen Protestanten oder die evangelische Kirche, aber es führt regelmäßig zu heiterem Gelächter, wenn ich mit ein paar Leuten durch die Straßen fahre und ungefähr auf einer Strecke von 1 km ca. 15 verschiedene evangelische Kirchen sehe, die alle untereinander konkurrieren und so komische Namen haben wie z.B.:“Battle Axe Bible Church“, „Winners Church“ oder „Mountain on Fire“. Für mich hört sich das alles eher wie ein neuer Pro Sieben Blockbuster an. Was auch auffällt ist, dass in den Kirchen immer höchstens 20 Leute während einer Messe sitzen, die Lautsprecher die am Ausgang angebracht sind aber mindestens 500 Menschen im Umfeld beschallen. Es kommt mir zudem als ein regelrechtes Geschäft vor, was da betrieben wird, die Menschen sind da oft einfach eine Einnahmequelle. Es wird immer etwas versprochen, was die Kirchen unmöglich halten können. Schon im Namen findet man utopische Versprechen:“deeper life church“, „Winners church“, „Lord´s choosen“. Naja im Großen und Ganzen kann man sagen, dass die evangelische Kirche in Nigeria lange nicht so seriös scheint wie sie es in Deutschland ohne Zweifel ist.

Zum Schluss werde ich wieder ein bisschen schwärmen. Also lauscht dieser kleinen Geschichte über eine kleine, alte Afrikanerin. Zwar stammt sie nicht von mir, sondern aus einem Buch das ich hier gelesen habe, aber diese alte Frau begegnet mir hier in ähnlichen Zügen auch jeden Tag in Gestalt von vielen Afrikanern und Afrikanerinnen.

Ich gehe zu einem der vielen Erdnussstände und sehe eine alte Frau, die vor sich Tüten voller Erdnüsse in drei verschiedenen Größen hat. Ich frage, wie viel die kleinste kostet, sie antwortet:“30 Naira“, dann frage ich was die größere kostet, sie antwortet wieder:“30 Naira“, ein bisschen verwirrt frage ich dann nach dem Preis der größten der drei Tütentypen und die alte Frau antwortet erneut:“30 Naira“, ich freue mich ein „Schnäppchen“ machen zu können und kaufe gleich drei der größten Tüten. Ich gehe glücklich über den guten Kauf aber verwirrt, von der scheinbar ökonomischen Fehlkalkulation dieser alten Dame, die ja eigentlich jahrelange Erfahrung im Verkauf von Erdnüssen haben müsste und deshalb unmöglich mit gutem Gewissen ein so „dummes“ Angebot machen könnte, weiter. Dieser Kauf geht mir nicht mehr aus dem Kopf, da es für mich einfach zu unwahrscheinlich scheint, dass die alte Frau zu dumm ist, oder einen Fehler gemacht haben könnte. Ich gehe zurück und sage zu der rundum glücklich und zufrieden aussehenden Frau:“Hey Mama, weißt du noch? Ich habe eben bei dir Erdnüsse gekauft.“, sie entgegnet:“Ja, ich erinnere mich gut an dich, du hast drei von den großen Tüten gekauft.“, ich fahre fort und sage:“Mama, sag mal, wer kauft eigentlich die kleinen Tüten?“, sie antwortet mit einem gutmütigen Lächeln im Gesicht:“Die kleinen Tüten kaufen Leute die nicht so einen großen Hunger haben wie du.“ Ich lache und gehe.

Ich will diese Geschichte gar nicht weiter interpretieren, analysieren oder gar erklären. Ich glaube jeder sollte sich diese Geschichte einige Male zu Gemüte führen und durch den Kopf gehen lassen und sich seine eigenen Fragen stellen und sein eigenes dazu denken. Legt das Handeln der alten Frau aus wie ihr wollt, als dumm oder naiv oder einfach nur schwachsinnig, aber ich persönlich bin begeistert von dieser alten „Mama“. Von ihrer Person mit ihrer Gutmütigkeit und klaren Sicht, die für uns vielleicht erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist. Ich verbinde mit dieser Frau einzig und allein: Vertrauen, Ehrlichkeit und einen guten Menschen.
Ich vermag nicht zu sagen wie meine nächsten Rundbriefe ausfallen werden, ob sie wieder so lang, ausgiebig und zahlreich werden oder sich eher knapper und seltener halten. Ich hoffe natürlich für mich und die die interessiert meine Berichte verfolgen, dass ich wieder genauso viel zu erzählen haben werde.

Lasst mich jetzt meinen Brief, wie ich ihn begonnen habe, mit einem Zitat beenden. Es ist eine Stelle aus dem Song „Geigen von wonderful world“ von „Tomte“, einer der tollsten Musikstücke von einer der tollsten Bands:“ Ich lebe mich durch eines der schönsten Leben, mit den schönsten Songs der Welt“
Ich hatte Tränen in den Augen und einen dicken Kloß im Hals, als mein Vater mir einst erzählte wie mein Opa früher seine Briefe an seine Familie beendete. Es berührte mich tief und deshalb will ich jetzt die gleichen Worte benutzen, denn ich glaube meine Heimat und meine Freunde und Familie ähnlich zu vermissen, wie es mein Opa damals tat.
„Auf ein Wiedersehen in der Heimat“

euer Steph, alias „Onyeocha“ aus dem Regenwald

Fatze

Schiene Gruß fonem Pinaricher onen Pinaricher.
Hull mät was dou loh kreh kanz .
Notz die Zäit loh ous , su schie, wie dou datt loh hoss !
Einfach SCHIE .
on schreiff mir net , notz die Zäit vier wat anneres ,schieneres nohhaltigeres .
Tschö!
Fatze

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Marion Flink

Lieber Stephan

Sitze hier in usa an der Westkueste {2 Wochen Urlaub}, hatte grade etwas Zeit (hab ich zu Hause leider zu wenig), und habe deinen 2. Rundbrief gelesen. Ich war sehr ergriffen von deinem Bericht und moechte dir sagen, dass ich sehr stolz bin, dass ein Puendericher (dazu noch ein ehemaliges Kindergartenkind von mir) sich auf solch ein „Abenteuer“ eingelassen hat und sicher vielen Menschen dort unten „gutes tut“.
Ich wuensche dir noch viele schoene Erlebnisse mit den Menschen dort und hoffe, dass du uns weiterhin mit deinen tollen Berichten an deinem Leben in Nigeria teilhaben laesst.

Liebe Gruesse,
Marion Flink

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