Dorfgeschehen

Erinnerungen an “Tante Luzia”

Luzia Mergler vor ihrem Ladengeschäft
Luzia Mergler vor ihrem Ladengeschäft
Die „Luzia“ war mehr als ein Geschäft – es war das pulsierende Herz unseres Dorfes, der Ort, an dem Geschichten, Klatsch und Tratsch geboren und geteilt wurden. Geführt von einer guten Seele, die ich (nicht nur) als Teil meiner Kindheit fest in meiner Erinnerung habe. Gefühlt war der kleine Laden ein riesiger Supermarkt wunderlicher Dinge, in dem es kaum was gab, das es nicht gab. Jeder freie Quadratzentimeter Fliesenboden war genutzt. Die beiden großräumigen Schaufenster wurden regelmäßig mit den neuesten Klamotten ausstaffiert, damit auch die modernen Pündericherinnen keinen der international angesagten Modetrends verpassten.

Luzia selbst, oft nicht nur von den Kindern „Tante Luzia“ genannt, lebte und atmete für ihren Laden. So habe ich es zumindest immer wahrgenommen. Mit Regina hatte sie natürlich eine umtriebige und treue Hilfe und Angestellte (und später auch Nachfolgerin) an ihrer Seite, aber ich kann mich an kein Mal erinnern, dass ich Tante Luzia nicht auch selbst im Laden angetroffen hätte. Ich kann mich nicht erinnern, dass Luzia mal im Urlaub gewesen wäre und vertreten wurde oder der Laden geschlossen war.

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Das alte Backes

Viele Jahre ist es schon her, dass in dem alten Backhaus das bis 2001 als Feuerwehrgerätehaus benutzt wurde, das letzte Brot in den Backöfen duftete. Ältere Mitbürger kommen heute noch ins schwärmen, wenn sie von den alten Backzeiten des Backes erzählen. Beim Bäcker Brot kaufen war nicht drin, es wurde Brot selbst gebacken. Nicht nur für einen Tag sondern für eine ganze Woche oder für 2 – 3 Wochen.

1990 Feuerwehrgerätehaus Backes
1990 Feuerwehrgerätehaus Backes

Sonntags nach dem Hochamt wurden beim „Butze Koster“ ,heute Haus Hans Collmann, Römerstraße, die Backzeiten verlost. Gestritten wurde nie um den erste Backtermin. Diejenigen, die als erstes an der Reihe waren mussten zum Aufheizen ein Bündel Reben mehr mitbringen wie die anderen. Aufgeheizt wurde immer mit einer „Bärt Reffe“, dem alten Rebenholz der Weinberge. Hatten die beiden Backöfen ihre Temperatur erreicht, überprüfte man dies mittels eines kleinen Bündel Kornähren am Brotschieber. Waren die Körner leicht angebrannt so hatte der Backofen die richtige Backtemperatur. Die Asche entfernte man mit einer „Kitschel“ und das Brot wurde in den Ofen geschoben. Nach einer guten Stunde war das Brot gebacken. Gelegentlich nach einem allzu langem Schwätzchen hatten die Brotlaiber eine andere Farbe als gewollt.

Kuchen gab es in alter Zeit nur zu den Feiertagen. Dann war im Backhaus Hochbetrieb. Aber das ist lange her und mittlerweile gehört ein elektrischer Backofen zur Grundausstattung einer jeden Küche. Backen im Backhaus wurde überflüssig und das Backhaus fiel für einige Jahre in einen Dornröschenschlaf. Zwischendurch als Gemeindelager benutzt, erfolgte 1972 ein Umbau zum Feuerwehrgerätehaus. Die Backöfen wurden abgerissen und verschwanden von der Bildfläche. Leider gibt es auch keine Fotografien von den Backöfen, aber es gibt noch alte Protokolle der Backhausversteigerungen aus den Jahren 1786 und 1814, die wie folgt aufgeführt sind:

Actum auf dem Rathaus, den 23. Februar 1786, auf sogenannten Dorftag wurde das Gemeinden Backhauß an meistbietenden heimgeschlagen, daß

  1. Steigerer den darauf lastenden Zinß entrichten solle.
  2. Solle Steigerer jedes mahl einen Mitbieder haben, wan er sich dießen nicht selber stellen solle, haltet sich die Gemeinde vor, ihm einen mit Consorten beyzusetzen.
  3. ist nicht zugelassen unter ihnen das Brod zutheilen.
  4. Hat Steigerer an Weinkauf in die Gemeinde zu zahlen 7 Reichsthaler.
  5. Muß jederzeit das von Gemeinde dargestellte Gewicht vorhanden seyn.
  6. ist Beckern nicht erlaubt Obst, oder sonst was schädliches in dem Ofen zu trockenen, oder zu backen, bey der Pollizey Strafe.
  7. Muß Steigerer einen annehmlichen Bürgen für 200 Thl. und Zähler für den Steigerschilling darstellen und ist für dieß Jahr auf angesetzte Conditionen heimschlagen dem
Daniel Rockenbach per 37 Thl. i. Zahl
Peter Schmitz ahls buerg

Weiterhin ist im Gemeindearchiv von 1787 vermerkt, das Daniel Rockenbach wiederum das Backhaus für 37 Thl. steigerte und Peter Schmitz für ihn bürgte.

Backhausversteigerung Anno 8. Januar 1814

Wurde das alleinige Backrecht in dem Gemeindeofen auf ein Jahr, nach vorher geschehener öffentlicher Bekanntmachung bei versammelter Gemeind versteigert unter den Bedingnißen nämlich:

  1. Der Becker bekommt von jedem achtel das erbacket ein Pfund Teich.
  2. Er muß gutes Brod backen, und wenn er erweißlich mit seiner Schuld schlechtes und unbrauchbares backet, so muß er den Schaden bezahlen.
  3. Er muß sich einen Mitbecker stellen, oder die Gemeind behalt das Recht ihm einen darzustellen.
  4. Die Becker dürfen den Backlohn nicht unter sich theilen.
  5. Ist ihnen nicht erlaubt Obst, oder sonst was schädliches im Backofen zu trocknen, oder zu backen, unter willkürlicher Strafe.
  6. Steigerer muß annehmlichen Bürgen und Zahler, der mit ihm unterschreibt, darzustellen.
  7. Die Bezahlung des Steig-Quartum geschieht an den Gemeinde Vorstand, den folgenden Martini Tag.
  8. Diese Verpachtung fängt heute an, und endigt sich mit dem 1. Januar 1815

wurde angesetzt und dem Johann Hermes für
fünf und zwanzig Reichsthaler zugeschlagen

Johann Hermes
Peter Frantzen, Bürg und Mitbieder
Olbermann, Vorsteher

Zu den nehmlichen Bedingnißen wie diese oben angeführte wurden heute den 1. Januar 1816 das Backrecht öffentlich versteigert, mit der noch beygefügten Bedingniß das wenn jemand im Backhaus ein oder mehrere Brod entkommen der Becker dieses gleich vergüten muß. Zu dem Steigpreiß von siebenzehn Reichsthaler, 27 Albus an den Bürger Johann Kerner.

Anscheinend hat sich im 19. Jahrhundert kein alleiniger Versteigerer mehr gefunden, und so wurde das Backrecht Sonntags nach der Hochmesse öffentlich für Pündericher Bürger verlost. Die letzten Brote sind Ende der fünfziger Jahren im historischen Backes gebacken worden. Heißbegehrt war auch die Asche aus dem Backhaus. Sie diente unseren Vorfahren als Dünger für die Landwirtschaft. Versteigert wurde diese Asche an einem sogenannten Äschtag.

Private Backöfen

Es gab auch private Backöfen wo gemeinschaftlich gebacken wurde, z.B. die da wären: Josef Busch und Alfred Lenz beide in der Springiersbacherstraße, Josef Feiden in der Eltzerstraße, Haus Schilling – heute Melsheimer in der Kirchstraße.

Dorfbrunnen in Pünderich

In Pünderich auch „Pettz“ genannt.

Man kann sich kaum noch vorstellen, wie es war, bevor das Wasser einfach so aus der Leitung kam. Bevor die Haushalte an das Zentrale Wasserversorgungsnetz angeschlossen wurden, Pünderich ab dem Jahre 1898, musste ein Brunnen das kühle Nass spenden.

Wie war es nun, als alles Wasser, zum Verzehr, zum Waschen, zur großen Wäsche benutzt wurde? Die Tiere mussten versorgt werden, der Garten brauchte es, ja auch bei einem Brand wurde neben Teich- oder Moselwasser, auch aus den Brunnen geschöpft.

Es war eine mühselige Angelegenheit, doch man kannte es nicht anders. Das Wasser hatte einen hohen Stellenwert, man schätzte es und ging damit sorgsam um. Aus der Chronik erfahren wir, dass bei den Brunnen sehr auf Hygiene geachtet wurde. Besonders wenn wieder einmal eine Seuche im Anzug war, ließ man beim Apotheker des Öfteren eine Wasserprobe nach schädlichen Keimen untersuchen.

In den Höfen ist man oft sehr leichtfertig mit dem Anlegen der Brunnen verfahren. Meist befand er sich in der Nähe der Mistgrube, wohin auch noch der Abort eingeleitet wurde. Cholibakterien im Brunnenwasser waren meist die Folge. Viele Bürger können sich noch an den Spruch ihrer Eltern erinnern: „ Trinke niemals Wasser nach dem Genuss von Gurkensalat.“ Das kam daher, da das frühere Trinkwasser nicht die Wasserqualität von heute besaß.

Brunnen in der Springiersbacherstraße, Pünderich
Brunnen in der Springiersbacherstraße, Pünderich
Obwohl die Brunnen eine gewisse Tiefe besaßen, konnte es vorkommen, dass die Brunnen im Sommer versiegten. In extremen Wintern vereisten oder versiegten. Im Sommer durch extreme Trockenheit, im Winter durch extreme Kälte und Trockenheit. So geschehen in den Jahren: Winter 1076/77, Sommer 1295, Sommer 1304, Sommer 1448, Sommer 1462, Sommer 1472 u.1473, Winter 1490, Winter 1513/14, Sommer 1517, Sommer 1536, Sommer 1540, Sommer 1556, Sommer 1565, Sommer 1575, Winter 1599/1600, Winter u. Sommer 1615, Winter 1635, Winter 1658, Sommer 1669, Sommer 1684, Sommer 1718/19/24, Winter 1847/48, Sommer 1857.

Etliche Brunnen standen meist in zentraler Ortslage, wo sie überdauert haben, jedoch nicht mehr alle funktionsfähig sind.

Übersicht der noch vorhandenen oder bekannten Dorfbrunnen
Brunnen bei Schmitz Ewald Springiersbacherstraße 1
Brunnen bei Haus Kitta Engelbert Springiersbacherstraße 7- noch vorhanden
Brunnen bei Springiersbacher Hof, 2 Stück Springiersbacherstraße 27
Brunnen bei Haus Filzen Alois Springiersbacherstraße 38 – noch vorhanden
Brunnen bei Gibbert Ludwig Kirchstraße 11 – noch vorhanden
Brunnen bei Schmitz Theo Kirchstraße 35 – zugeschüttet
Brunnen bei Sattler-Mergler Marienburgerstraße 8 – noch vorhanden
Brunnen bei Lenz Ludwig Marienburgerstraße 11
Brunnen bei Schneiders Paul-Hermann Eltzerstraße 3 – noch vorhanden
Brunnen bei Klaes Herbert Eltzerstraße 19
Brunnen bei Filzen Heinz Rathausstraße 23
Brunnen bei Fassbender Gerhard Eichhausstraße1 – zugeschüttet
Brunnen bei Mentges Karl Hauptstraße 52
Brunnen bei Kahnert Klaus Hauptstraße 71

Bau einer Wasserleitung

1898: Nachdem sich in den letzten Jahren der Wassermangel durch die trockenen Sommer immer stärker bemerkbar machte, beschloss der Gemeinderat unter Gemeindevorsteher Klaeß und dem Bürgermeister Jakobs, der Landbürgermeisterei Zell, die Anlegung einer Wasserleitung. Mit der Anlegung wurde ein Ingenieur aus Zweibrücken beauftragt. Bis zum Abstellkranen wurde die Leitung jedem Bürger der das Wasser nehmen wollte, gegen eine Vergütung von 30 Mark geliefert. Was darüber hinaus ging, musste jeder Bürger selbst bezahlen. Das Wassergeld wurde von einer besonders ernannten Kommission jährlich festgesetzt.

Hausschlachtungen in Pünderich

In früheren Zeiten verfügten nur wenige wohlhabende Winzer über genügend Weinbergsbesitz um vom reinen Weinbau zu leben. Ohne die Erzeugung von Lebensmitteln war bei den allermeisten Betrieben die Ernährung der Familie nicht möglich. Dazu gehörte die Rindviehhaltung und auch das Mästen von ein bis zwei Schweinen. Das war durchaus nicht leicht und machte sehr viel Mühe und Arbeit, war aber unerlässlich. Geld, um Fleisch bei dem Metzger zu kaufen, war selten vorhanden.

1935 Schlachter Arnold Simonis bei einer Hausschlachtung vor dem Hause der Gebrüder Filzen
1935 Schlachter Arnold Simonis bei einer Hausschlachtung vor dem Hause der Gebrüder Filzen

Um Schweine aufziehen und mästen zu können, mussten zuerst einmal Ferkel gekauft werden, da es sich ja nicht gelohnt hätte, Ferkelsauen zu halten. Den Älteren unter uns ist bestimmt noch sehr gut in Erinnerung, wenn im Frühjahr einige Male in der Woche der Ortsdiener mit der Schelle durchs Dorf ging und laut ausrief: „Bei der Witwe Engel hält ein Auto mit Ferkeln und Läuferschweinen!“ Daraufhin versammelten sich um den Lastwagen oft eine Anzahl von Einwohnern, darunter echte Kaufinteressenten, aber auch viele Zuschauer, denn es war jedes Mal ein Schauspiel, wenn die Händler die laut quitschenden Ferkel an einem Hinterbein in die Höhe zogen, damit sie möglichst lang aussahen. Auch wollte man dem unerlässlichen Feilschen zuhören und dadurch den Preis erkunden. Viele mussten mit dem Kauf von Ferkeln warten, bis sie ein Kalb oder aber Wein verkauft hatten, um das nötige Bargeld für den Ferkelkauf zur Verfügung zu haben.

Das Füttern der Ferkel war hauptsächlich eine Aufgabe der Frauen im Hause. Es forderte eine gewisse Erfahrung und Sachkenntnis, denn die Schweine sollten ja möglichst schnell fett werden.
Schweine sind Allesfresser. Sie verwerten alles im Hause anfallende Fressbare, angefangen von Magermilch bis zu Essensresten. Die Hauptnahrung der Tiere bestand jedoch aus Kartoffeln und Runkelrüben – selbstverständlich aus eigenem Anbau – die vorher in einem Kessel gekocht wurden. Das Befüllen dieses Kessels, wobei zuerst die Kiemen an den Kartoffeln entfernt werden mussten, war sehr häufig eine Arbeit für die Kinder, weil die Eltern im Weinberge oder in der Landwirtschaft beschäftigt waren.

Das gewünschte Schlachtgewicht lag in der Regel um drei Zentner pro Schwein und wurde meistens im Dezember erreicht, so dass man nunmehr ans Schlachten denken konnte. Dazu musste natürlich zuerst der Dorfschlächter benachrichtigt werden, denn selber schlachten konnte man ja nicht. Wenn bei dessen Eintreffen das zum Brühen benötigte Wasser im Kessel nicht kochte, gab es ein gewaltiges Donnerwetter, denn der Metzger hatte an einem Morgen oft vier bis fünf Schweine zu schlachten und deshalb wenig Zeit.

Wenn der Metzger seine Gerätschaften von der karre (Moardel) ab lud (Mool, Bank usw.), waren meistens auch schon die Nachbarn zur Stelle, die zuerst ihren Schnaps in Empfang nahmen, damit sie besser anpacken und helfen konnten. Nach einem weiteren Schnaps, denn auf einem Bein kann man ja nicht gut stehen, konnte mit dem Schlachten begonnen werden. Wenn der Ausdruck „Trinkfest und Arbeitsscheu“ da und dort zutreffen sollte, dann nicht bei einem Dorfmetzger, trinkfest waren sie, ja beileibe nicht arbeitsscheu, denn es war harte Arbeit ehe das Schwein geschlachtet und ausgeweidet zum Auskühlen an einer Leiter (vom Heuwagen) an der Hauswand hing.

Abends erschien der Dorfmetzger dann noch einmal, um das inzwischen ausgekühlte Schwein fachgerecht zu zerkleinern und zu portionieren. Jetzt begann erst die Hauptarbeit, die wiederum in den meisten Häusern mehrheitlich von den Frauen des Hauses geleistet werden musste, wobei Hilfe von der Verwandtschaft oder auch Nachbarschaft erwartet und durchaus gewährt wurde.

Zuerst wurde das Fett ausgelassen, denn jede Hausfrau war stolz auf möglichst viele Töpfe mit Schweineschmalz. Nachdem die Dünndärme sorgfältig gesäubert waren, wurde die Wurst gemacht, welches natürlich besondere Kenntnisse erforderte, denn das sogenannte Füllsem für die Blut- und Leberwurst musste oftmals probiert werden, da das Würzen des Füllsem eine besonders delikate Angelegenheit war und auf das Lob über den herrlichen Geschmack der Wurst freute sich nachher jede Hausfrau. Wurst wurde aber nicht nur in Därme gefüllt, sondern auch in Büchsen und Gläser, worin sie längere Zeit vor dem Essen aufbewahrt werden konnte. Nachdem das Füllen der Därme mit dem Füllsem abgeschlossen war, wurden die nun fast fertigen Würste im Kessel gekocht und jeder freute sich auf die anfallende Wurstsuppe, die natürlich mit der Verwandtschaft und der Nachbarschaft geteilt wurde und die besonders gut schmeckte, wenn beim Kochen eine Wurst geplatzt war und ihr Inhalt in der Suppe verteilt war.

Schinken und Bauchfleisch wurde gepökelt (gesolbert) und nachher geräuchert, denn Gefriertruhen gab es damals noch nicht. Geräuchert wurden auch die sogenannten „Andullien“, die nichts anderes als die ineinander gestopften, vorher natürlich gereinigten Dickdärme waren. Vorher mit Salz, Pfeffer und Wachholderbeeren gewürzt, waren sie eine, von nicht wenigen geschätzte Delikatesse. Sie waren auch mit Sauerkraut und Kartoffeln gekocht, das obligatorische Fastnacht-Dienstag-Gericht.

So wurde alles vom Schwein verwertet und nach dem Schlachten begann wieder eine gute Zeit. Abends glänzten die „Gedämpten“ (gedämpfte Kartoffeln) wieder von Fett und schmeckten mit einem ordentlichen Stück Blut- oder Leberwurst ganz vorzüglich. Es wurde auch nicht oder kaum als Nachteil empfunden, dass das Fleisch im Vergleich zum heutigen Schweinefleisch wesentlich fetter war, ganz im Gegenteil. Der damals oft viel stärker körperlich beanspruchte Mensch auf dem Lande konnte Fett durch aus noch vertragen.

Ja, viele sind der festen Überzeugung, das Schweinefleisch früher wesentlich würziger und schmackhafter war, da die Schweine anders gefüttert wurden und nicht auf ausgesprochene Fettarmut gezüchtet waren. Ob sie Recht haben, oder ob diese Meinung nur ein verklärte Erinnerung an Jugendtage ist, an denen man noch guten Appetit hatte, möge dahingestellt bleiben.

In diesem Zusammenhang sollte auch noch erwähnt werden, dass in Pünderich anfangs der 60er Jahren die letzten Schweine gemästet wurden.

Austmücken (Augustmücken/Eintagsfliegen)

Am heutigen Lebensstandard gemessen, muss man die Zeit vor dem letzten Weltkrieg und auch noch die letzten Nachkriegsjahre als arm bezeichnen. Die überwiegende Zahl der Einwohner der Gemeinde lebte vom Weinbau und von der Landwirtschaft. Bargeld war knapp.

Aber auch die jungen Burschen dieser Zeit wollten doch einige Mark in der Tasche haben, denn schließlich gab es zu allen Zeiten Kirmes, Fastnacht und auch Vereinsfeste, bei denen Geld gebraucht wurde. Wohl konnte man da und dort bei besser gestellten Winzern etwas im Tageslohn verdienen, aber der gezahlte Lohn war alles andere als berauschend.

So muss man durch aus dafür Verständnis haben, dass jede sich bietende Gelegenheit an etwas Taschengeld zu kommen, heiß begehrt war. Eine Möglichkeit bestand im sogenannten Brennen von den im Volksmund als Austmücken bezeichneten Eintagsfliegen, seltsamen, seit den letzten Jahrzehnten nicht mehr beobachten Lebewesen. Die älteren der heute lebenden Generation können sich aber bestimmt noch an die 50er Jahre erinnern, als auf der Kirmes zeitweise die elektrischen Lampen ausgeschaltet werden mussten, weil sie von einer Unzahl von Austmücken, die großen Motten oder kleinen Schmetterlingen mit weißen Flügeln vergleichbar waren, fast verdunkelt wurden.
Das sogenannte Brennen der Austmücken ging folgendermaßen vor sich: An warmen, windstillen Augustabenden wurden auf dem Kies am Moselufer Decken oder auch Jutesäcke ausgelegt, auf die man Karbidlampen stellte, die bei einbrechender Dunkelheit angezündet wurden.

Wie Motten, so wurden auch die Austmücken vom Licht angezogen und sie umschwirrten zu Tausenden die Lampen um zuletzt auf den Decken liegen zu bleiben. Von dort brauchte man sie nur einzusammeln. So konnten an einem guten Abend 10-20 kg Mücken erbeutet werden.
Heimgebracht wurden sie zuerst getrocknet. Danach mussten die vertrockneten Flügel mittels Maschine entfernt werden, ehe die von den Händlern aufgekauft und als Fisch- oder Vogelfutter verwandt wurden.

Diese Austmücken hatten eine maximale Lebenszeit von zwei Stunden. Gerade in unserem Moselgebiet waren die Austmücken stark vertreten, die aber im Zuge der Moselkanalisierung gänzlich verschwunden sind. Ihr Lebensraum waren die Gewässer zwischen den Buhnen und den Moselkrippen.

Das sogenannte Kellerchen

Das Kellerchen mit den edlen Weinen wird geöffnet.
Das Kellerchen mit den edlen Weinen wird geöffnet.
Vor der Moselkanalisation wurden im Flussbett der Mosel bei niedrigem Wasserstand manchmal Felsen sichtbar.
Diese Felsen ragten nur in Jahren bei außergewöhnlicher Trockenheit aus dem Wasser, also in Jahren, in denen wohl in der Regel ein sehr guter Weinwuchs, in denen aber in früheren Zeiten auch mit Lebensmittelknappheit, wenn nicht gar mit Hungersnot verbunden waren. Diese Felsen wurden im Volksmund daher auch “Hungersteine” genannt.

Ein solcher “Hungerstein” befand sich auch in Pünderich nahe der Fähre auf der anderen Moselseite, mit welchem es aber eine besondere Bewandtnis hatte. Er wurde allgemein das “Kellerchen” genannt, weil unsere Vorfahren aus diesem Felsen eine Vertiefung gehauen hatten, in die man 12 Flaschen Wein lagern konnte. Zum Schutze vor Feuchtigkeit waren die Korken der Flaschen mit Siegellack versiegelt.

Gewöhnlich vom Wasser überflutet lagerten diese Flaschen kühl und vor jedem Zugriff sicher und es war jedesmal ein Ereignis, wenn der Wasserstand der Mosel infolge Hitze und Trockenheit wieder einmal soweit gesunken war, dass man die Flaschen entnehmen konnte. Die nachfolgende Probe und die damit verbundene Beurteilung der Weine war eine feierliche Handlung und wurde von jedem als Ehre empfunden, der daran teilnehmen durfte.

Zum ersten Mal geschah dies im Jahre 1857, welches man auf dem Felsen eingeritzt erkennen konnte und dies wurde in allen hervorragenden Jahrgängen, bei den entsprechenden Wasserständen wiederholt.

Zuletzt fand diese Öffnung und Leerung des “Kellerchens” im Jahre 1959 statt. Damals bei sehr niedrigen Wasserständen und vor der endgültigen und ständigen Überflutung infolge des Moselausbaues bzw. Moselkanalisierung.

Die Leerung wurde von dem Winzer Willibrord Busch vorgenommen. Unter dem Klang von Weinliedern, die der Männergesangverein “Borussia” vortrug, wurde das “Kellerchen” zum letzten Male geleert.

Die Trarbacher Zeitung brachte 1901 folgenden Artikel über Pünderichs “Kellerchen”:

Pünderich, 25. Juli 1901
Bei dem jetzigen kleinen Wasserstande ist oberhalb unserer Fähre ein Stein in der Mosel sichtbar, der im Volksmunde „W e i n s t e i n“ heißt. Der Name rührt daher, daß der Stein nur in den trockensten Sommern aus dem Wasser hervorragt und diese in der Regel guten Wein bringen. Auf diesem Steine sind verschiedene Jahreszahlen eingegraben, von denen jetzt die Zahlen 1857, 1865 und 1885 wasserfrei sind.
  Im Wasser sieht man noch 1870, 1892 und 1893 verzeichnet. Ein Blick auf diese Zahlen zeigt uns die drei vorzüglichsten Weinjahre des letzten halben Jahrhunderts 1857, 1865 und 1893. Zu bemerken ist, daß die erwähnten niedrigen Wasserstände stets im August und September waren.
Hoffentlich erweist sich der stumme Prophet diesmal nicht als falscher Prophet.

Elf Jahre später erschien in dem Traben-Trarbacher Lokalanzeiger vom 12. August 1912 folgendes Gedicht von Johannes Trojab über das Kellerchen:

Bei Pünderich aus der Mosel schaut jetzt hervor ein Stein,
Drin grub man in trockenen Sommern die Jahresziffer ein.
Die Hitz, die dann zum Sinken gebracht die klare Flut,
Den Rebenbergen am Ufer bekam sie immer gut.
Drum redet jede Ziffer am Steine von einem Jahr,
Das milde gesinnt dem Volke der fröhlichen Zecher war,
Daß wieder aus dem Wasser sich jetzt der Stein erhebt,
Das hat mit fröhlichem Hoffen gar manchen Sinn belebt.
Schafft mir die Dauerhitze des heurigen Sommers Pein,
So denk`ich es schaut aus dem Wasser bei Pünderich der Stein.