Im fünften „PÜNDERICHER BRIEF“ (21.07.1946) berichtet Jakob Mentges, Großvater von Paul Ludwig Mertes, seinem in englischer Gefangenschaft befindlichen Sohn über örtliche Ereignisse und Lebensumstände des Jahres 1946.
Die Rechtschreibung des Briefes ist weitestgehend original belassen.
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Mein lieber Ludwig!
Habe vor 2 Tagen Deinen Brief vom 29. Juni erhalten, hier ist noch alles beim
Alten, was wohl auch bei Dir der Fall ist. Meinen Brief vom 23. Juni hoffe
ich in Deinem Besitz. Durch das schlechte Wetter haben wir am Mittwoch vor
14 Tagen das Heu von der Hecke[1] heim bekommen. Die Feiertage Peter und sein
Kamerad[2] sowie „Maria sucht dich heim“ – wie der Italiener sagt – sind vorbei.
An Reiler Kirmes war Herrmann mit Frau und Kindern sowie Paul und Maria nach
Reil. Wein gabs keinen, man musste sich welchen in der Aktentasche mitnehmen.
Bier ist gefärbtes Wasser, ein Glücksrad war da, man konnte erdene Pfeifen
gewinnen. Schmitz Edmund war auch mit seinem ganzen Stab dort. Ich war
nach Burg Kirschen pflücken. Sonntags darf kein Auto fahren ohne besondere
Erlaubnis. Fußball wird lustig gespielt, gegen Koblenz-Neuendorf hat
Pünderich 4 zu 1 gespielt. Im Radio Koblenz wurde es gemeldet. Am letzten
Sonntag war Spieltag in Wittlich, Arns Nikolaus hat dabei das Bein gebrochen,
wurde mit Krankenauto nach hier gebracht. Vor 14 Tagen war schweres Un-
wetter, hier hat der Sturm das Dach vom R.W.E teilweise abgedeckt u. 1
Kamin umgeworfen; in Andernach und Neuwied hat der Hagel alles, die
ganze Ernte u. viele Glasdächer der Gärtnereien vernichtet. Am Viadukt hat man
2 Bogen wieder aufgestellt, man hofft, dass man im Okt.vom Bahnhof Pün-
nach Quint vor den Tunnel fahren u. dann über den Berg zu Fuß
auf der anderen Seite wieder einsteigen u. dann nach Trier fahren kann.
Vor 14 Tagen war der totgesagte Lehrer Junglas zu Besuch hier,
lässt Dich vielmals grüßen, hofft Dich hier bei seinem nächsten Besuch
im Winter vorzufinden. Hulten Jakob wurde heute ausgerufen. Das Kaiser-
Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck wird abgerissen, bin mal gespannt, wer
oben aufgesetzt wird. Herr Schmitz hatte die Lungenentzünndung, ist wieder
besser, lässt grüßen. Wo die Weinberge durch Bomben geschädigt sind, hat man
Kartoffeln u. Runkelrüben gepflanzt. Die gesprengten Lokomotiven vom Bahn-
hof hat man fort gefahren. Am Viadukt ist man mit Hilfe ei-
ner Motorwinde beschäftigt, die Geleise wieder in Ordnung zu bringen.
Durch Nachlassen der Weinbergsarbeiten im letzten Jahre sowie schlechte
Witterung sind die Weinberge schwer verkrautet. 2 mal haben wir gespritzt.
Soeben war Klempner Georg von Enkirch hier. Rudi ist beim Franzosen in
Kolmar in Gefangenschaft. Wir hören den Koblenzer-, Saarbrückener- u. Stutt-
garter-Sender. In England sind noch 385.000 Gefangene. Wann welche entlas-
sen werden, weiß man nicht. Im Laufe der Woche wurde Liessem aus Frankreich
entlassen. Die 4 Helden von dem Flieger[3] sind nach Frankreich gekommen,
wünsche denselben nichts Schlechtes, nur sollen sie nicht eher heim kommen,
bis die letzten Gefangenen zu Hause sind. …. …. sitzt auch noch in Zell.
So, das wäre der Bericht zur Lage.
Am 18.7 hat Busch Alois 500 ltr. Wein aufgepumpt, den Rest haben
wir abgeflascht. Heute war in Springiersbach großer Umzug, man feierte
das Skapulierfest. Am 18.August kommt der Bischof nach dort
zur Einweihung der Kirche, welche in schönerer Weise wie früher
wiederhergestellt ist. Da an Peter u. Paul 2 Feiertage waren, so war
große Wäsche. Pater Burkhard war hier. Da Mangel an Stoff herrscht, hat die Damenwelt
aus Hitlerfahnen Kopftücher u. Schürzen gemacht; es sieht ulkig aus. Wirtz
Ewald, welcher in Stellung in Saarbrücken als Linksanwalt war, musste mit
nur etwas Gepäck heraus, es sollen nur schwere Jungen heraus. Gestern wurden
im Wäldchen mehrere Blindgängerbomben gesprengt. Eine 10-Zentner-Bombe
liegt nahe am Wasser an der Mosel am Mostrollwingert. 2 Sück 20-Zent-
ner-Blindgänger liegen in der Peterslay. Da dieselben jetzt durch die
Trauben zum Sprengen zu viel Schaden machen, werden selbige erst nach dem
Herbst gesprengt. Heute abend ist große Namenstagsfeier. Wie Du siehst,
habe ich in mehreren Abschnitten geschrieben. Das Korn auf dem Flur haben wir ab.
Im Rott hats noch etwas Zeit. Mit dem Rühren sind wir bald fertig. Dann
kommt das Holzmachen, ähnlich wie 43. Nächste Woche kommt das letzte
Spritzen mit Nirosan gegen den Sauerwurm. Lass Dir die Gefangenschaft
nicht zu lang werden, es geht alles vorüber. Ab u. zu wird auch mal im
Radio die Lili Marleen gespielt. Dass wir jeden Tag das Radio beim Mittagessen
hören ist gang und gäbe.
Mit vielen Grüßen von uns allen
Dein Vater.
[1] Briedeler Heck
[2] Fest Peter und Paul
[3] Die „vier Helden“ hatten einen abgeschossenen Piloten verprügelt
Der bald folgende 6. Pündericher Brief wurde uns von Veronika Dahm zur Verfügung gestellt. Darin beschreibt Emil Mergler seine ersten Tage als Rekrut in Trier im Jahre 1872. Wir würden uns sehr freuen, wenn auch Sie uns alte Briefe für die Veröffentlichung zur Verfügung stellen würden. Die Originale erhalten Sie selbstverständlich umgehend zurück. Wir freuen uns über Ihre .
Gleichzeitig bietet sich für uns alle dadurch die Gelegenheit, Wissen und Dokumente, die vielleicht in der nächsten Generation mangels Interesse und Schwerlesbarkeit nicht aufbewahrt werden, für unsere Nachwelt und Ortsgeschichte zu erhalten.Die Briefe werden auf den Seiten der Dorfchronik gesammelt.Wer eigene Beiträge zur Verfügung stellen möchte, wende sich bitte an:
Paul Ludwig Mertes,
Tel.: 0 65 42 – 2 20 10
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