Klatsch und Tratsch

Pündericher Briefe Teil 2

Im zweiten „PÜNDERICHER BRIEF“ (02.03.1947) berichtet Jakob Mentges, Großvater von Paul Ludwig Mertes, seinem in englischer Gefangenschaft befindlichen Sohn über örtliche Ereignisse und Lebensumstände des Jahres 1947.

Die Rechtschreibung des Briefes ist weitestgehend original belassen.

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Pünderich, den 2.III. 1947

Mein lieber Ludwig!

teaser

Fortsetzung vom 12.II.47. Rosenmontag hat einer ernsten Zeit Platz gemacht.
Beim Schneider Hotel war Hochbetrieb. Die Französische Militär Verwaltung
hat pro Nase 1 Flasche Wein [erlaubt ?] und blockiert in Preislagen 4 – 5 – 6 – 7 Mk [Mark].
Zum Essen haben sich die Leute, wer konnte, Butterbrote mitgenommen.
Alle kamen auf ihre Rechnung.
Beim Tanzen, da es an Tänzern fehlte, gab es viel Damen Walzer. Ich war nicht nach dort.
Wenn man seine Leute noch draußen hat, steht einem der Kopf nicht danach. Die Jugend
kommt diesmal auf Ihre Rechnung beim Rodeln u. Schlittschuh laufen. Der Eisgang
ging am letzten Sonntag glatt von statten. Man meint , man käme auf den Nordpol.
Die größte Sorge ist der Brand. Die Jungen spielen im Bürgersaal am hellen Mittag
bis spät in die Nacht Tischtennis, sogar während der Sonntagnachmittagandacht,
so daß der H. Pastor [sich] auf der Kanzel beschwert hat u. die Polizei in Anspruch nehmen
will, daß vor 3 Uhr nicht gespielt werden darf. Fußball wird jeden Sonntag gespielt. Bruder Franz
hat mir in einem Brief an Bruder Karl einen Gruß bestellt. In Großvernich bei Köln kostet
1 Flasche Wein 70 Mk, ebensoviel wie ein Mittagessen. Wo bleibt der Arbeiter mit seinem
Lohn. Man muß neue Währung haben, Wein, Schnaps, Stoffe, Schuhe, Leder, Oel, Fett.
Versorge Dich, wenn es geht, mit Leibwäsche u. Schuhen. Alwies Filzen u. Martin Goldschmidt,
dem Lenze Lisbet sein Mann haben ihre Photographien geschickt, sehen ganz gut aus.
Vetter Karl hat auch geschrieben, [? einmal ist es zu kalt, andremal zu warm, dieselben nach Hause
zu schicken ?] . Sein Kamerad bei Bonn ist fast schon 2 Jahre zu Hause. Ein Soldat aus Hahn, welcher
2 x durchgebrannt [und] wieder geholt wurde, ist beim 3ten Mal nicht mehr gefasst worden.
Dafür wurde sein Vater von der franz. Militärverwaltung eingesperrt.

Von Vetter Karl wurde ein Kamerad entlassen. Seine Frau schrieb Karl, daß er
anstatt in die Heimat mit 8000 Mann nach Jugoslawien von dem Ami geschickt wurde.
Auch ein Schicksal. Auf der Kindtaufe war es schön und auf Dein Wohl wurde auch getrunken.
Herbert [Klaes] hat seiner Mutter schüchtern erzählt, daß er 9 Stück Kuchen gegessen habe. Heute läuft
er mit Gipsverband am Fuße herum.
Heinz Vogel ist in Rußland gestorben. Eben so
Berta Lenz [Lay] seine Mutter in letzter Woche. Dahm Alfred ist auch zu Hause, kann
sich schlecht darin schicken, daß man nichts für Geld kaufen kann. Jos. Engel will als
spät berufen Theologie studieren, Rudolf Simonis will vor Ostern hier sein, nach
Vermögensregelung will er nach Kanada zurück. Franz Mertes, Paul sein Bruder,
hat ein Gesuch über Rom laufen für [die] Einreise nach Argentinien. Hier ist nichts mehr
los. [Die Drang haben nach der S…. K…. Emmrich bis 1950, ??, unleserlich] Hitler leb[t?] wie
Franzosen und Amerikaner forschen nach. Man sagt den Witz, daß er in Berlin lebt
und mit dem Bulldog herum fährt u. seinen Anhänger sucht. Schätzungsweise sind
im Zeller Kreis 2500 Wildschweine, abgeschossen wird nur schwarz. Wenn einer ein
Schwein mit Schlingen fängt, die Behörde wird es gewahr, so stellt sie Wachen aus. Lieber
läßt sie es verfaulen, als daß sie [es] frei gibt. Wer keine Angehörigen od. Heim
mit Landwirtschaft hat, soll um Gottes Willen in England bleiben od. auswandern. Wer
will denn später die Reparationskosten bezahlen helfen. Herrmann sein Freund liegt seit
gestern im Krankenhaus, hat Nieren- od. Halsleiden. Agnes Busch [Simon] hat vorgestern ein
Töchterchen bekommen. Vom Raiffeisen gab es Salz, Essig Essenz u. Kalkammon-
salpeter. 1 Flasche Essenz 4 Flaschen Wein oder in Köln in Geld 180 Mk .
Was hier los ist, weißt Du jetzt. In der Apotheke mußt Du 2 Stück Holz mitbringen,
weil kein Brand da ist. Ich war mit Herr. seiner Frau mit Wasser beim Dr. Bauer, Reicherts Nachfolger.
Habe 1 ½ Stunden den kalten Heizsessel im Warteraum warm gehalten.
Der Reichert ist noch nicht zurück, scheint was ausgefressen zu haben.
Viele Grüße von uns allen, Dein Vater

In bestimmten Abständen werden diese Briefe von Pünderichern veröffentlicht, die das Leben und die Geschehnisse unseres Dorfes in der Vergangenheit zum Inhalt haben. Wir möchten Euch Interessantes über unsere eigene Vergangenheit bieten und gleichzeitig weitere Mitbürger dazu anregen, mit eigenen Beiträgen die Serie zu bereichern und um ihr Kontinuität zu verleihen.
Gleichzeitig bietet sich für uns alle dadurch die Gelegenheit, Wissen und Dokumente, die vielleicht in der nächsten Generation mangels Interesse und Schwerlesbarkeit nicht aufbewahrt werden, für unsere Nachwelt und Ortsgeschichte zu erhalten.Die Briefe werden auf den Seiten der Dorfchronik gesammelt.Wer eigene Beiträge zur Verfügung stellen möchte, wende sich bitte an:
Paul Ludwig Mertes,
Tel.: 0 65 42 – 2 20 10

Originalbilder des Briefes

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