Klatsch und Tratsch

Pündericher Briefe Teil 16

Maria Mentges (später Mertes) schreibt ihrem in englischer Gefangenschaft befindlichen Bruder, Ludwig Mentges, über die Familie, lange Dauer der Gefangenschaft, Lokales und Schwarzmarktpreise. Die Rechtschreibung des Briefes ist weitestgehend original belassen.
26. Febr. 1946 [1]

Mein lieber Ludwig!

Gestern erhielten wir durch Erich Deinen lieben
Brief vom 2.2.47. Wie wir sehen, bist Du noch gesund u. schlägst
Dich tapfer durch und trägst Dein Los mit Geduld. Hoffentlich können
Dir unsere Gesuche doch zur schnellen Entlassung helfen, was wir alle von
Herzen wünschen. Bei Dir liegt auch Schnee, bei uns ist es auch so, es sieht
noch nicht nach Frühling aus. Es wird auch vorübergehen und für Dich wird auch
die Sonne scheinen und Du wirst heim kehren. Gott sei Dank bist Du als mit
Kleidung versorgt und die Verpflegung und Unterkunft ist auch gut. Hoffen
wir, es geht weiter gut und verliere nicht den Mut. Heute ist Dein Patenkind
unser Paul Ludwig drei Wochen alt geworden, ob Du schon weißt, dass unser Stamm-
halter da ist? Er ist ein liebes Kerlchen, möge der liebe Gott ihn erhalten und segnen.
Denn an Gottes Segen ist alles gelegen. Was Du in der Zeit, da Du in England
bist, nicht alles geworden ist. Einmal Schwager, 2 mal Pate und Onkel.
Was die Zeit nicht alles bringt. Ich bin Gott sei Dank wieder gesund und darf aber noch
nicht raus, es ist zu kalt. Maria liegt auch wieder, hats an den Nieren und eine
Mandelentzündung mit Vereiterung, als Gesellschafter liegt neben ihr der
Herbert mit seinem Gipsbein. Die kleine Agnes Maria geht gut voran, Luzi rollt
seelenvergnügt mit Deinem Rodler und Hermann bewegt sich in riesigem Tempo
auf Schlittschuhen. Am Sonntag brach in Trarbach das Eis los, es war ganz schön
dick. Die Mosel stieg fast bis aufs Leinpfad und die ganze Mosel [ist] weiß, nichts
als Eisschollen, die Schifflein des Winters. An der Bullayer Brücke wurde
das Eis gesprengt. Ob es ohne Schaden anzurichten vorbei ging, weiß ich
nicht. Hier liegt am Ufer noch ziemlich Eis, aber kein Vergleich wie 1940. Hoffentlich
gibt es kein Hochwasser, wenn der Schnee abgeht, obwohl wir im Keller nicht viel
zu stützen haben. Ich will nicht klagen, wir sind gesund und haben zu essen
und bestimmt für Dich mit. Es freut uns alle von Herzen, wenn Du zuerst
wieder zu uns kommst, da hast Du Zeit zum Überlegen, wie Du Dir Dein Leben
einrichtest. Kommt Zeit, kommt Rat. Der Weinversand wird auch wieder in den
Schwung kommen, wenn die Zonengrenze fällt und die Bahn wieder vollständig
in Takt ist. 27.2.47, heute wurden wir überrascht, Vater brachte 3 Päckchen von der

[Seite 2 ]

Post. Erich musste Dein Paket umpacken, es war zu schwer, um es so zu schicken.
Wir danken auch recht herzlich dafür. Wie muss Du gespart haben, damit Du alles
kaufen konntest, denn Eure Löhnung ist ja auch nicht groß. Uns kamen die
Tränen, als wir die Sachen ausgepackt, die Du liebevoll für uns besorgt hast
und mit liebender Hand für uns sendest. Man meint, gerade in den anderen
Ländern hätte man kein Herz, sonst würde man doch endlich Euch Gefangene
heim schicken und die großen Lücken in der Familie ausfüllen. Ich muss Dir
Mal ungefähr den Preis der Sachen schreiben, wie wir das Zeug gegen Wein
kaufen oder tauschen, auch schwarzer Markt genannt. Da müssen wir eine Kiste
Wein nach England schicken und der Wein wird knapper und weniger.
Also das Nähgarn kostet 6 Flaschen Wein, die Wolle und Dwist [Twist] 4 Flaschen.
Näh- und Stopfnadeln kosten 10 Stück oder 12 Flaschen. Sicherheitsnadeln gibt
es nicht. Kerzen kennen wir auch nicht mehr, Zahnpaste und Schucreme
gibt es ab und zu, 4 Döschen Creme 1 Flasche Wein. Die Creme ist aber nicht
gut, sie macht aber schwarz. Von Erich erhielten wir immer Schuhcreme, sonst
hätte es übel ausgesehen. Die Seife und Rasierseife ich weiß es nicht
so genau, aber die Rasierseife das Stück bestimmt 3 Flaschen, wenn nicht
4 und die Kernseife und die Toilettenseife da weiß ich den Preis nicht,
weil wir ganz selten Seife angeboten bekommen, 12 bis 15 Flaschen.
Ja wir waschen uns das im Gesicht nur mit Wasser, die Hände mit Vim.
Ab und zu gibt es mal Tonseife, eine Hand voll deutscher Erde. Für
meinen kleinen Pau Ludwig hatte ich noch ein Stückchen amerikanische
Seife, die hatte Paul aus der Gefangenschaft und ich sah mit Schreck, wie
es immer kleiner wurde. Nun bin ich der Sorge enthoben, Mutter
hat mir welche gegeben, wofür lb. Ludwig ich herzlich danke ausrufe
[und] der kleine Mann. Natürlich hat auch das Raucherherz gelacht. Die Rauch-
waren sind teuer und Blättchen müssen auch geschoben werden und
der Preis [für] 4 Päckchen Zigarettenpapier 1 Flasche Wein. Du siehst das Leben
ist teuer, aber wir wollen auch zufrieden sein und uns fehlt nichts mehr, wenn
Du daheim bist, da wollen wir dem Herrgott recht danken. Du weißt, wie
wir uns alle um Dich sorgen und sehnlichst wünschen, Du möchtest bald wieder
bei uns sein. Gerne würden wir Dir als Geld schicken, aber sowas ist unmöglich und
deutsches Geld hat keinen Wert. Aber von Herzen gerne würden wir
Dir eine Kiste Wein schicken, wenn nur die Möglichkeit entstünde, denn
soviel Wein haben wir noch, so arm sind wir auch noch nicht, aber garnichts
können wir Dir zuliebe tun. Sollte mal ein Kamerad kommen, der bei Dir
war und uns so alles von Dir erzählt, so werden wir es ihm zu danken
wissen. Für so eine Nachricht, mal wieder so alles von Dir zu hören, würden
wir ja gern erkenntlich sein und uns keine Flasche zu schade sein. Hoffent-
lich erhält Erich gleich Nachricht …[unleserlich]…ich habe ihm schon geschrieben, er soll
uns gleich Bescheid geben, denn wir warten sehnsüchtig auf jeden Gruß von Dir.
Und mit vielen lieben und innigen Grüßen will ich meinen Brief schließen.
Baldige Heimkehr u. alles Gute wünschen Eltern, Paul und Paul Ludwig.

Anmerkung [1] Falsches Datum
Korrigiert: 26. Febr.1947 statt 26.Febr.1946

In bestimmten Abständen werden diese Briefe von Pünderichern veröffentlicht, die das Leben und die Geschehnisse unseres Dorfes in der Vergangenheit zum Inhalt haben. Wir möchten Euch Interessantes über unsere eigene Vergangenheit bieten und gleichzeitig weitere Mitbürger dazu anregen, mit eigenen Beiträgen die Serie zu bereichern und um ihr Kontinuität zu verleihen.

Gleichzeitig bietet sich für uns alle dadurch die Gelegenheit, Wissen und Dokumente, die vielleicht in der nächsten Generation mangels Interesse und Schwerlesbarkeit nicht aufbewahrt werden, für unsere Nachwelt und Ortsgeschichte zu erhalten. Die Briefe werden auf den Seiten der Dorfchronik gesammelt. Wer eigene Beiträge zur Verfügung stellen möchte, wende sich bitte an:

Paul Ludwig Mertes,
Tel.: 0 65 42 – 2 20 10

Wolfgang Meironke

Eine sehr wichtige und wertvolle Seite! Großen Dank dafür. Ich bearbeite meine Familiencronik, die mich persönlich auch nach Pünderich gebracht hat. Ich habe Barbara Busch (Dahm) heitaten dürfen. Deshalb sind für meine Chronik natürlich die Informationen zur Dorfgeschichte von sehr großem Interesse und Wert.
So habe ich für den Schwager Hans-Peter Busch (Ex Fährmann) zu seinem 60. Geb. eine kleine Chronik geschrieben.

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