Die Mosel(tal)bahn

Kaum ein Bauwerk veränderte die Landschaft bei Pünderich wie der Bau des Hangviadukt auf der gegenüberliegenden Moselseite.

Die Preußische Armee hatte beim Krieg 1870/71 erhebliche Truppenversorgungsengpässe. War es hier einmal der Nachschub der nicht zügig heranrollte, ein andermal die Truppen nicht schnell genug an die Front transportiert werden konnten. So was durfte bei der Preußischen Armee kein zweites mal passieren. Wohl aufgrund dieser Tatsache fiel die Entscheidung zugunsten einer staatlich gelenkten Bauausführung. Am 20. Februar 1872 trafen fünf Vermessungsingenieure in Cochem ein, die sogleich mit ihren Arbeiten anfingen. Ein weiterer Vermesser bezog in Alf Quartier. Nachdem die Vorprojektierung der Trasse von der alten Reichsgrenze über Karthaus – Trier – Ehrang – Wengerohr – Bullay – Cochem nach Koblenz abgeschlossen war, konnte am 11. Juni 1873 die lang` ersehnte Konzession erteilt werden.

Verlierer bei dieser Planung waren dir Orte Traben – Trarbach, Bernkastel, Wittlich und Zell, sie blieben ohne Bahnanschluss. Das Bestreben möglichst gradlinig und ohne große Umwege zu bauen, ließ einen Anschluss nicht zu.

Andere Gemeinden an der Untermosel z. B. Klotten wollten, dass die Bahn nicht durch ihre Gemarkung führte – offensichtlich schätzte man den Erhalt der Weinberge höher. Nachdem der Bau der Bahntrasse in verschiedene Bauabschnitte und Lose eingeteilt war, erfolgte der zügige Bau der Bahnanlage. Von Koblenz bis Cochem war dieser Bauabschnitt unkompliziert. Erheblich schwieriger gestaltete sich der Verlauf der Moselbahn von Ehrang auf Koblenz zu.
Hier häuften sich, oft kurz hintereinander, die Kunstbauten. Es waren hier sechs Tunnels mit einer Gesamtlänge von 6845m, das 97bögige Hangviadukt Pünderich mit einer Länge von 786 m, sowie drei Moselbrücken und noch zahlreiche aufwendige Stützmauern. Der Cochemer Tunnel war am 22. Dezember 1877 fertig gestellt.

Andere Baumaßnahmen zogen sich noch bis ins Frühjahr 1879 hin. Ein Jahr nach der Eröffnung der Obermoselstrecke wurde am 15. Mai 1879 der letzte Etappenabschnitt an der Untermosel seiner Bestimmung übergeben. Die Inbetriebnahme der vorerst eingleisigen Moselbahn ging leider ohne Festakt vonstatten. Schon im November begann man aus strategischer Sicht mit dem zweigleisigen Ausbau der Strecke. Erleichtert wurden die Arbeiten dadurch, das man von vorne rein den Gleiskörper zweispurig dimensionierte.

Die am 1. August 1952 bei uns im Pündericher Hangviadukt gefundene Urkunde gibt Aufschluss über einige interessante Fakten dieser Zeit. Sie wird hier in ungekürzter Fassung wiedergegeben:

Urkunde

UrkundeDiese Urkunde wurde am Tage des Schlußsteinfestes vom Pündericher Viadukt am 07. Oktober 1880 eingemauert. Der Pündericher Viadukt wurde vom September 1876 bis heute unter der ruhmreichen Regierung Seiner Majestät des Kaisers von Deutschland und Königs von Preußen

Wilhelm I. erbaut. Seine Erbauer sind:
Regierungs- und Baurat Otto Früh aus Hannover, als Oberleiter der Bahnbauten von Güls bis Sierek. Eisenbahnbaumeister Castor Campe aus Brilon, als Abteilungsdirigent der Strecke vom Petersbergtunnel bis Kinderbeuern. Sektionsbaumeister Adolph Hoeschele aus Stuttgart, als Verfasser der Bauprojekte von Prinzenkopftunnel bis Kinderbeuern, als leitender Baumeister dieser Strecke. Bauführer Max Meteriueg aus Inovzazlaw der in den Jahren 1877 und 1878 die moselseitige Spur baute. Bauführer Wilhelm Geber aus Seefeld, der in den Jahren 1879 bis 1880 die bergseitige Spur baute. Bauführer Carl Beckmann aus Göttingen der 1879 die bergseitige Spur vom kleinen Viadukt baute. Bau-Assistent Johann Weber aus Hinhausen zur Materialabnahme und Bauaufsicht der Handarbeiten. Die Erd- und Maurerarbeiten der moselseitigen Spur waren an den Unternehmer Peter Oerter vergeben, die der bergseitigen Spur an die Unternehmer Jacob Dies aus Eller und Johann Loosen aus Pünderich.

Die Bruchsteine sind von Peter Jackel aus Alf, aus dem Pündericher Steinbruch geliefert. Die Backsteine sind Teils aus der Ziegelei von Scheid in Merl, teils aus der von Schmitt in St. Wendel, der Kalk stammt aus Nennig, der Sand aus der Mosel.

Die Moselbahn wurde in militärischen Interesse gebaut, um die deutschen Heere rasch nach Frankreich werfen zu können, dem wir in dem Kriege von 1870/71 unser altes Besitztum Elsaß-Lothringen wieder abgenommen haben. Aus diesem Grunde und weil die eitle französische Nation es überhaupt schwer verwinden kann geschlagen zu sein, wird sie jede, für sie günstige Gelegenheit benützen mit uns Krieg anzufangen. Der preußische Statt hat deshalb eine Spur der Bahn von Berlin nach Metz gebaut und als diese fertig war die zweite danebengesetzt, um das Kriegsmaterial in der kürzesten Zeit an die Grenze werfen zu können. Das deutsche Heer ist gegenwärtig im Kriegsfall 1.300.000 Mann stark und zur Zeit die mächtigste Armee der Welt.

Der Pündericher Viadukt enthält 19.000 cbm Mauerwerk und hat 460.000 Mark gekostet.

Die Lebensmittelpreise waren: 1 Kilogramm Brot = 30 Pfennige
1 Kilogramm Fleisch = 1 Mark, 40 Pfennige
50 Kilogramm Kartoffeln = 3 Mark

Der Wein war zu unserem größten Leidwesen seit 1874 nicht mehr recht geraten, unser gewöhnlichster Wein, für den wir per Flasche zu ¾ Ltr. eine Mark bezahlten, schmeckte uns daher nicht immer. Der Bessere kostete 2-5 Mark per Flasche. Für Mittagessen bezahlten wir Junggesellen samt ½ Flasche Wein: 1 Mark, 80 Pfennig.

Des Abends brauchten wir gewöhnlich 2 Mark, oft aber auch 6 oder 8, wenn`s lustig zuging und wir von dem guten Wein tranken. Unsere Münze war die Mark von denen eine mit den Scheidemünzen in der Kapsel liegt. Es gab auch 10 und 20 Markstücke in Gold, die konnten wir aber nicht beilegen, weil wir sie selber brauchten.

Wenn nun diese Urkunde jemals wieder ans Tageslicht kommt, so grüßen die Unterzeichneten die Finder mit dem Wunsche, dass sie in einer guten Weinperiode leben.

Alf, den 07. Oktober 1880 Hoeschele, Baumeister

(Siegel)Geber, Bauführer
Beckmann, Bauführer
Was aber brachte die Bahn für Pünderich? Zunächst konnten viele Arbeiter aus unserem Ort beim Bau des Hangviaduktes ihr Brot verdienen. Pünderich erhielt einen Bahnhof auf der gegenüberliegenden Moselseite. Mit Stolz hatten sie einen Bahnhof vor der Kreisstadt Zell, aber so ganz glücklich war man über die Lage des Bahnhofs nicht. Die Deutsche Reichs-Zeitung berichtete am 22 . Februar 1886 folgendes:

„Eine sonderbarere Erscheinung wird es gewiß an der ganzen rheinischen Bahn nicht geben als diesen Bahnhof. Schön liegt er, daß muß ihm auch sein Neider lassen. Aber Menschenkind, wie willst Du hin oder fort kommen? Dieses Räthsel soll mir einer lösen! Offiziell bestand bis jetzt ein von der Bahn gebauter Fußpfad vom Bahnhof bis auf den Leinpfad nach der Reiler Seite hin. Derselbe ist aber nach und nach, besonders in den letzten Tagen so verrutscht, daß er heute nach Besichtigung zweier höherer Beamten von Trier und Coblenz oben und unten abgesperrt werden mußte. Einen anderen erlaubten Weg nach dem Bahnhof gibt es aber nicht. Was nun? Wohl hat sich das Publikum mit Durchbrechung der Schranke des Eigenthumsrechtes einen Rutschweg nach der Pündericher Seite gebildet: aber kein anständiger Mensch wird denselben für passend halten. Ferner glauben wir, daß die Eisenbahn welche von dem reisenden Publikum den Nutzen des Fahrgeldes hat, auch die Pflicht hat zu sorgen, daß die Reisenden ohne Lebensgefahr den Bahnhof erreichen oder verlassen können. Wir bedauern die Beamten des Bahnhofs, welche von den Reisenden immer Vorwürfe über diesen miserabelsten Zustand bekommen und nicht helfen können. Von Seiten der Bahnbehörden hört man immer sagen: „Die Gemeinde Pünderich petitioniere nicht um einen Weg.“ Hört man die Pündericher, so erfährt man, die Eisenbahnbehörde stelle unerfüllbare Bedingungen. Wer hat Recht! Uebrigens ist in diesem Streite zwischen Eisenbahn und Gemeinde Pünderich das reisende Publikum ganz unbetheiligt. Geiß die wenigsten, welche auf Bahnhof Pünderich aus- und einsteigen, sind Einwohner der Gemeinde Pünderich – aber alle haben gegenüber der Eisenbahn das Recht einen anständigen Weg zum Bahnhof zu fordern.“

Mit der 1883 eröffneten Stichbahn Pünderich – Traben-Trarbach erhielt der Bahnhof Pünderich als Umsteigebahnhof eine kleine Blütezeit. Reisende die nach Traben – Trarbach wollten, mussten in Pünderich bis in die 70er Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem Bahnhof Pünderich umsteigen. Heute besteigen die Fahrgäste mit dem Ziel Traben-Trarbach bereits in Bullay die Züge.

Im Jahr 1907 eröffnete man im Bahnhof Pünderich eine Bahnhofwirtschaft. Das mag den heutigen Leser verwundern, dem war aber nicht so. Am 13. September 1907 wurde diese Gastwirtschaft öffentlich im Traben-Trarbacher Lokal-Anzeiger zur Verpachtung ausgeschrieben. Hier der Originaltext:

„Verpachtung der Bahnhofswirtschaft auf Station Pünderich (Staatsbahnhof). Die Bahnhofswirte sind gehalten, die Preise der Speisen und Getränke auf deutlich sichtbaren Tafeln anzuzeigen. Ferner haben sie für Erfrischungsgetränke auf den Bahnsteigen zu sorgen. In den Warteräumen dritter und vierter Klasse wird außer dem Kaffee zu höheren Preisen noch ein billigerer verabreicht. Eine große Tasse mit Milch darf nicht mehr als 15 Pfg., ohne Milch und Zucker nicht mehr als 10 Pfg. kosten. Auch soll an den Büffets und an den Zügen der Jahreszeit entsprechend Obst in ausreichender Menge und zu angemessenen Preisen feilgehalten werden. Kurz vor der Ankunft der Schnellzüge sollen an geeigneter Stelle Gefäße mit frischen Trinkwasser aufgestellt und Tafeln mit der entsprechenden Aufschrift angebracht werden.“

Erster Betreiber und Pächter der Bahnhofwirtschaft wurde die Familie Roth aus Reil. Die Gastwirtschaft lief sehr gut und es war sogar geplant, Konzerte auf dem Bahnhofsgelände ab zu halten. Erst 1927 wurde der Bahnhof mit Lichtstrom versorgt. Wiederum schreibt die Zeitung aus Traben-Trarbach:

„Was lange währt, wird endlich gut. Dieses alte Sprichwort trifft hinsichtlich der Lichtversorgung des Staatsbahnhofes Pünderich wörtlich zu. Als einziger Bahnhof zwischen Trier und Cochem war Pünderich immer noch mit Petroleumbeleuchtung ausgestattet. Nunmehr wird er in kurzer Zeit in elektrischem Lichtglanze erstrahlen. Die Arbeiten sind im Gange. Das reisende Publikum, wie auch das Bahnpersonal werden die Verbesserung auf der Umsteigestation mit Freude begrüßen.“

Bevor das Hangviadukt näher beschrieben wird, hier noch einige Worte über die beiden Tunnel auf unserer Gemarkung. Der 458m lange Prinzenkopftunnel dient der Bahn als Abkürzung zur Bullayer Brücke. Wegen Steinschlag wurde der Pündericher Tunneleingang um einige Meter verlängert und diese Verlängerung kann man heute noch gut sehen.

Mit dem Reilerhals – Tunnel verlässt die Eisenbahn das Moseltal zur Eifel hin. Der Reilerhals – Tunnel ist das Sorgenkind der Deutschen Bahn. Das Bergmassiv ist ständig in Bewegung. Unzählige Sanierungen des Tunnels sorgten immer wieder zu Verspätungen im Bahnverkehr. Zu Schaden kam der Tunnel auch, als ein Munitionszug im zweiten Weltkrieg von feindlichen Fliegern in Brand geschossen und das Zugpersonal Schutz im Tunnel suchen musste. Auch Winzer/innen suchten Schutz im Tunnel bei Luftangriffen. Bei der Elektrifizierung 1972 musste der Bahnverkehr zwischen Bengel und Bullay ganz stillgelegt werden, weil Risse im Bauwerk entstanden. Zwischen den Stationen war in dieser Zeit Buspendelverkehr angesagt.

Mit dem Bau des Hangviadukts waren auch viele Winzer betroffen. Sie mussten Land gegen Geld abgeben bzw. tauschen.

So erhielt am 3. März 1877 der Winzer Matthias Dahm von der Eisenbahnverwaltung folgende Gelder für seine Weinbergsparzellen: Im Weiseberg 298,62 Mark, am Dörngesweg 490,77 Mark, am Rosenberg 687,96 Mark, in der Nuh 1116,47 Mark, da selbst 352,80 Mark, im Zinselt 203,70 Mark, Staaten 575,75 Mark und für sein Rottland auf Layet 22,40 Mark. Insgesamt eine Summe von 3748,47 Mark was einem kleinem Vermögen dieser Zeit entsprach.

Was verbaut wurde und was es gekostet hat, kann man gut aus der o.g. Urkunde ersehen.

Kriegsschäden entstanden nur beim zweiten Weltkriege. Beim Rückzug deutscher Truppen ist ein Teil des Viadukts (4 Bögen) von ihnen gesprengt worden. Arbeitstüchtige Männer mussten bei Kriegsende ihrer Dienstverpflichtung folgen und bei den Reparaturen helfen. Bei Nichtbefolgung drohte eine sofortige Festnahme seitens der Militärregierung und Verurteilung durch ein Militärgericht. Dem Einsatz folgte keine Entlohnung. Die Dienstverpflichteten mussten sogar von ihren Arbeitgebern freigestellt werden.

Zum 1. September 1946 war das Gleis Ehrang – Pünderich wieder hergestellt. Mit der Freigabe der Bullayer Brücke am 24. April 1947 konnte der Bahnverkehr durchgehend wieder aufgenommen werden.

Zu Beginn der 70er Jahre erlebte die Bahntrasse nochmals eine rege Bautätigkeit. Mit der Elektrifizierung wurde ein neues Zeitalter der Lokomotiven eingeläutet. Am 07. Dezember 1973 fanden die Feierlichkeiten hierzu statt. Die Winzerkapelle Pünderich, hatte unter Leitung des damaligen Dirigenten Karl Klütsch, auf dem Bullayer Bahnhof die Ehre den Sonderzug musikalisch zu empfangen.

So ging eine fast 100 jährige Dampflokzeit auf der Moselstrecke zu Ende. Ganz verschwunden sind sie nicht, denn ab und zu verkehren sie noch als Sonderzüge.

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Das Saufbähnchen

Unbemerkt von der Öffentlichkeit nahm die Moselbahn am 31.3.1984, nachdem sie über 80 Jahre der Bevölkerung unschätzbare Dienste erwiesen hatte, Abschied von der Schiene. Seit Einstellung des Personenverkehrs am 31.1.1968 hatte die Bahn, beinahe unbeachtet, zwischen Ruwer und Trier noch eine 4,6 km lange Reststrecke mit zahlreichen Industrieanschlüssen bedient. Die Reststrecke wurde mit der Zeit unrentabel, so dass auch sie am 1.4. 1984 stillgelegt wurde.

Die weit über ihre Grenzen bekannte Moseltalbahn, vielen besser unter der Bezeichnung „Saufbähnchen“ bekannt, fand somit ein ebenso plötzliches wie ruhmloses Ende, das sie zweifellos nicht verdient hatte. Vielen älteren Mitbürgern ist noch die Dampflokzeit der Moseltalbahn (schelmenhaft) in Erinnerung und so soll dieser Bericht an die gute alte Zeit erinnern.

Durch den Bau (1873-79) der Moselbahn Koblenz – Trier – Perl waren die zwischen Bullay und Ruwer gelegenen Weinorte der Mittelmosel, von zwei kurzen Stichbahnen nach Bernkastel und Traben-Trarbach abgesehen, vorerst ohne jegliche Verbindung geblieben, so dass der Güterverkehr weiter zu Wasser abgewickelt werden musste. Seit 1888 bemühten sich verschiedene Eisenbahnkomitees, die unberührten Gebiete an das weitmaschige Eisenbahnnetz anzuschließen. Mehr als 10 Jahre vergingen, bis schließlich am 12. April 1899 von der Westdeutschen Eisenbahn-Gesellschaft zum Bau der Bahn eine Moselbahn AG mit einem Aktienkapital von 6 Millionen Mark gegründet wurde. Diese erhielt am 19.7.1899 die Konzession für eine Bahn von 1 m Spurweite für die Strecke Ruwer – Zell und am 5.9.1899 für die Strecke Zell – Bullay. Im Frühjahr 1900 begannen die Vorarbeiten. da mit der genehmigten Schmalspurbahn sich niemand so recht anfreunden konnte, wurde vom Eisenbahnkomitee Bernkastel nochmals der normalspurige Ausbau zur Debatte gestellt. Da diesem auch aus militärischer Sicht vom Generalkommando des 8. Armeekorps in Bonn der Vorzug gegeben wurde, beeilte sich der zuständige Minister gerade noch rechtzeitig am 25.7.1900 den normalspurigen Ausbau zu genehmigen.

Der Bau wurde in fünf Abschnitten in Angriff genommen und innerhalb von vier Jahren durchgeführt. Wie in anderen Orten auch musste die Moselbahn AG Land zum Gleiskörper auf kaufen. Dies geschah nicht immer bereitwillig, sondern hier und da musste die Moselbahn von ihrem Enteignungsrecht Gebrauch machen. Die Pündericher Grundstückverkäufer erhielten im Jahre 1903/04 rund 1,50 Mark für den Quadratmeter, für den Verlust eines Birnenbaumes 25 Mark und für einen Zwetschgenbaum 10 Mark Entschädigung

Bereits am 2.4.1903 erfolgte die offizielle Inbetriebnahme des Teilabschnittes Trier – Leiwen (inoffiziell wurde ein Teilstück bereits seit November 1902 befahren), am 28.5.1903 Leiwen – Niederemmel, am 29.12. 1903 Niederemmel – Andel, am 5.3. 1904 Andel –Bernkastel und am 19.8. 1905 Bernkastel – Bullay. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 20 Millionen Mark, davon 14,5 Millionen für den Bau und über fünf Millionen für den Grunderwerb. Die Moselbahn wurde nicht nur die teuerste Kleinbahn der Westdeutschen Eisenbahn- Gesellschaft, sondern auch in ganz Deutschland. Die Strecke hatte eine Länge von 102,17km (Gleislänge insgesamt 121,73 km). Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km benötigte die Bahn über 3 Stunden und bediente 38 Bahnhöfe oder Haltepunkte.

Die letzte Fahrt der Postkutsche

Die Zeitung meldete damals „vom Schwinden eines Stückes Historik“. Zum letzten Mal fuhr am Freitagabend (18.8.1905) gegen 7 Uhr das Pöstchen von Pünderich über Zell nach Bullay. Da das Fahrzeug mit dem darauf folgenden Tage durch die Bahnpost ersetzt wurde, waren Postillion, Pferd und Postkutsche mit Blumen und Kränzen geschmückt. Zahlreiche Neugierige sahen dieser Abschiedsfahrt zu. Tränende Augen aber sah man nicht.

Zwei Tage später geschah folgendes in Pünderich …

In einer Kölner Zeitung war damals folgendes zu lesen:

„Am Sonntag, dem 20. August, waren alle Züge mit Fahrgästen vollgepfropft. Zwei Abendzüge hatten mehr als eine Stunde Verspätung. Dem einen der Züge soll der Dampf ausgegangen sein, dem anderen hingegen Wasser gefehlt haben. Freundliche Winzer aber hätten in der Not ein Fässchen Haustrunk zur Verfügung gestellt, um dieses der Lokomotive in den Bauch zu gießen. Das sei der Maschine gut bekommen. In Pünderich war Kirmes. Viele Kirmesgäste warteten am Bahnsteig auf den Spätzug mit Ungeduld. Infolge der zu erwartenden Bahnfahrt hatten sie mehr getrunken als gewöhnlich. Manchen Männern lag der Kirmeswein schwer in Kopf und Beinen. – da wurde die Nachricht verbreitet, die Bahn habe den Verkehr eingestellt, weil in Pünderich zu viele Fahrgäste „im Wein ständen“ und die Direktion die Verantwortung für die Beförderung nicht übernehmen wolle. – Einige hatten daraufhin den Heimweg in altgewohnter Weise, schwankend und schweißtriefend zu Fuß angetreten und in der Dunkelheit mit Bäumen und Prellsteinen üble Bekanntschaft gemacht. Die Unentwegten aber hatten Glück, denn die Moselbahn kam zwar spät, aber sie kam und nahm alle mit, auch die, welche schwer geladen hatten.“

Das Gasthaus Lehmen hatte damals seinen gegenüberliegenden Garten, heute Parkplatz der Gaststätte und Metzgerei Rudi Burch bzw. „Marienburg“ zu einem Festplatz umgewandelt. Man verbrachte hier die Pündericher Kirmes bei Tanz und Musik.

… und das passierte 1906 in Pünderich Originalbericht aus Traben Trabacher Zeitung

„Pünderich, 10 April. Folgendes heitere Vorkommnis ereignete sich dieser Tage bei der Station Burg der neuen Moseltalbahn. Beim Verlassen des Bahnhofs Pünderich hatte es der Zug versäumt, den Zugführer mitzunehmen. Kurz vor der Station Burg lief ihm mit der roten Fahne ein Beamter entgegen. Die Bestürzung der Fahrgäste beim Halten des Zuges auf offener Strecke verwandelte sich in heitere Laune, als einige Minuten später schweißtriefend auf einem Stahlroß der schwergekränkte Zugführer angeradelt kam. Ein Piff und der Zug setzte sich wieder in Bewegung.“

Aber nun wieder zu den sachlichen Dingen. In den ersten Jahrzehnten konnte die Bahn recht gute Ergebnisse vorweisen und erwirtschaftete bis 1928 jährlich sogar Betriebsüberschüsse zwischen 140.000 und 570.000 Mark. Im Schnitt wurden täglich etwa 50 Wagenladungen und außerdem rund 20 Stückgutwagen im Güterverkehr befördert. Hinzu kam ein reichhaltiges Angebot im Personenverkehr mit täglich bis zu 35 planmäßigen Zügen, das bald sogar um einen Schnellzugverkehr zwischen Tier und Traben-Trarbach erweitert wurde. Diese Züge waren – wie später auch andere – bis zum Herbst 1930 mit Getränken und Speisen bewirtschaftet und brachten der Bahn den Spitznamen „Saufbähnchen“ ein.

Den ersten Weltkrieg überstand die Bahn recht gut, wenn sie auch 1918 den Verkehr vorübergehend wegen Kohlenmangels und Hochwassers einstellen musste. Dabei war die Bahn in den Kriegsjahren bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gefordert worden, da die Hauptbahn insbesondere Heerestransporten vorbehalten war und daher viele Güter über die Moselbahn umgeleitet werden mussten. Zu neuen „Höchstleistungen“ war die Kleinbahn während des passiven Widerstandes im Jahr 1923 gezwungen, als die Reichsbahn bestreikt wurde und nur die Moselbahn allein der hiesigen Bevölkerung die notwendigsten Reisen ermöglichte. Trotzdem traten Ende der 20er Jahre mit der Wirtschaftskrise und der allmählichen Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße, bedingt durch den Ausbau der ersten durchgehenden Straße im Moseltal (1928/32), erste finanzielle Schwierigkeiten auf. Zudem sah sich die Bahn gezwungen, mit erheblichem Geldaufwand den Oberbau des Bahnkörpers zu verstärken und dem Achsdruck der Reichsbahnwagen anzupassen.

1936 wurde der erste Treibwagen eingesetzt, dem 1937 zwei weitere folgten, so dass mit ihnen die Hälfte des Reisezugverkehrs abgewickelt werden konnte. Die Bemühungen seitens der Bahnverwaltung, den Betrieb konkurrenzfähig und rentabel zu halten, wurden durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges jäh unterbrochen.

Als Anfang 1945 die Westfront zusammenbrach und die Strecke der Deutschen Reichsbahn zwischen Trier und Bullay bereits unterbrochen bzw. zerstört war, lief der gesamte Rückzug über die Moseltalbahn. Die an der Westgrenze des Deutschen Reiches lebende Bevölkerung, insbesondere die Bewohner Triers, musste evakuiert, gleichzeitig aber auch die deutschen Truppen mit ihren Militärgütern zurückgeführt werden. Gewaltige, mit Lokomotiven der Baureihen 38, 50 und 52 bespannte Militärzüge waren in den Januar- und Februartagen des Jahres 1945 im Moseltal keine Seltenheit. Einer dieser Züge wurde bei einem Zwischenhalt zwischen Zell und Briedel von einer Fliegerbombe getroffen. Die Zuglok (501927) stürzte mit einigen Wagen in die Mosel. Opfer waren nicht zu beklagen, da sich alle Personen rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten. 1946/47 wurde die Lok wieder geborgen und sogar aufgearbeitet.

Der zweite Weltkrieg hatte der Moselbahn schwere Schäden zugefügt. Bahnbrücken und Weichen waren gesprengt, Wasserstationen zerstört, Lokomotiven und Dienstgebäude beschädigt. Ab 12.3.1945 ruhte der Bahnverkehr. Doch schon am 21. Mai 1945 wurde nach schwierigen Verhandlungen mit der Militärregierung die Genehmigung zum Wiederaufbau erteilt. Dank der tatkräftigen Mithilfe des 101. französischen Pionierbataillons war die Bahnstrecke nach vier Monaten in fünf Abschnitten wieder instand gesetzt worden und am 24. September 1945 über Bullay hinaus rund 5 km nach Neef verlängert, das nicht erreichbar war, da die Hauptstrecke Trier – Koblenz noch bei Bullay und Eller unterbrochen war. Die Züge von Koblenz fuhren damals nur bis Eller, wo die Reisenden über die Mosel setzen und einen nicht unbeschwerlichen Fußmarsch nach Neef antreten mussten. Von hier konnten sie ihre Fahrt mit der Moseltalbahn über Bullay nach Trier fortsetzen.

Bald erfuhr die Bahn erneut einen schweren wirtschaftlichen Schlag. Die Währungsreform von 1948 brachte ihr einen Umstellungsverlust von 4,5 Millionen Reichsmark. Alle Reserven zur Finanzierung des während der Krieg- und Nachkriegszeit aufgestauten Erneuerungsbedarfs waren damit genommen. Zudem steigerte sich mit dem einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung der Konkurrenzkampf mit der Straße. Da das Schwergewicht auf dem Personenverkehr lag und mehr als 80% der Reisenden Fahrpreisermäßigung in Anspruch nahmen, davon die Mehrzahl Sozialtarife, die nicht einmal die Selbstkosten deckten, war der Betrieb auf die Dauer nicht mehr rentabel zu gestalten. Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, leistete das Land Rheinland – Pfalz in der Folgezeit erhebliche Betriebszuschüsse, ohne das Unternehmen jedoch grundlegend zu sanieren. Die finanziellen Zuwendungen des Landes konnten die Moselbahn auf die Dauer nicht vor einem weiter steigenden Defizit bewahren.

Mit der Einstellung des Personenverkehr auf dem Nordabschnitt Bullay Süd – Traben-Trarbach Ost zum 30.9.1961 setzte der schrittweise Streckenabbau ein. Zwar wurde auf diesem Abschnitt zunächst noch der Güterverkehr sowie die Touropa-Sonderzüge aufrecht erhalten. Doch schon zum 31.12. 1962 folgte die Stilllegung des Gesamtverkehrs auf dem wesentlich erweiterten Streckenabschnitt Bullay – Niederemmel. 35

Damit konnte das Weingut Lenz Erben seinen Wein nicht mehr direkt vor der Haustür verladen.

Zum 22.6.1966 wurde das Streckennetz abermals um den Abschnitt Niederemmel – Neumagen reduziert. Am 31.1.1968 schließlich erreichte um 22.14 Uhr der letzte Personenzug aus Neumagen den Trierer Hauptbahnhof.

Im Zuge des Pündericher Flurbereinigungsverfahren I konnten die Anlieger des Bahndammes Land zurück kaufen oder tauschen. Heute verläuft über den einstigen Gleiskörpern der Moseltalbahn die „Alte Moseltalbahnstraße“.

Der ehemalige Bahnhof steht noch gut erhalten in der Bahnhofstraße und war im Besitz der Familie Peters. Im Jahr 2015 erwarb die Familie Eisenbürger-Küppers den Bahnhof und renovierte ihn liebevoll. Dabei entstand eine kleines Museum im ehemaligen Warteraum, das 2021 eröffnet wurde. Auf der Seite Moselbahn-Museum finden Sie weitere Informationen.
Das kleine Museum im alten Bahnhof (2021)

Güterschuppen und Lastenkran sind für immer verschwunden. Die Gemeinde Pünderich besaß einmal mit Stolz zwei Bahnhöfe, leider ist eines der Bahnhofsgebäude (Staatsbahnhof) der Spitzhacke 1974 zum Opfer gefallen. Auch das einstige Brücklein im Distrikt Schatzgraben ist schon lange nicht mehr da. Aber in der Erinnerung an die vielen Jugendstreiche bleibt sie bei etlichen Bürgern unvergessen. Der alte Bahngraben wurde in der Zeit, in der es noch keine geregelte Müllabfuhr gab, als Müllkippe benutzt und später mit Erdreich verfüllt.

Mit dem Gleisrückbau der Moselbahn verschwanden auch einige Unfallschwerpunkte an der Hauptstraße. Im Laufe der Geschichte passierten dort mehrere größere Unfälle mit Personen- und Sachschäden.

Auch die Berufsfeuerwehr Koblenz war in den 30er Jahren hier in einen Unfall verwickelt.