Klatsch und Tratsch

Ein Pündericher in Nigeria Teil V

Falls Sie die bisherigen Teile nicht mitbekommen haben –  hier eine Übersicht:
Ein Pündericher in Nigeria
Ein Pündericher in Nigeria Teil II
Ein Pündericher in Nigeria Teil III
Ein Pündericher in Nigeria Teil IV

Stephan Mertes aus Awgu

Awgu/Enugu State/Nigeria

Über eine Trockenzeit, heiße Examen, eine mal etwas andere Wanderung und einiges mehr!

Die Trockenzeit hat begonnen. Nächte heiß wie Tage, die Tage natürlich noch heißer! Ausgetrocknete Lippen auf Grund des trockenen Windes der unaufhörlich scheinend aus der Sahara hierher geweht wird. Diese Lippen reißen bei manchen sogar auf, wie man das aus Wintern in Deutschland kennt. Manchmal geht man, trotz dieser manchmal doch erfrischenden Prise, beinahe ein, wenn man nicht schnell genug in den Schatten kommt, der dann doch ein bisschen Abhilfe schafft. Nie bräuchte man Strom mehr als an diesen Tagen, wenn man in einer Klasse steht und einem beim Unterrichten der Schweiß übers Gesicht läuft. Die Schule verfügt zwar in jedem Klassenraum über einen Ventilator, aber jemand bei „NEPA“, der Stromgesellschaft, sitzt am „roten Schalter“ in seinem wohltemperierten Büro und lacht sich wahrscheinlich ins Fäustchen.

Unverschämt ist das, was hier in Sachen Strom abgeht. Ich meine, als ich ankam habe ich natürlich gedacht, dass es schade ist, dass man nur so selten Strom hat, aber ich hatte auch gedacht: „Naja, dann sparen die Leute ja wenigstens Geld.“ Ein paar Monate klüger und informierter muss ich diesen Versuch etwas Positives an der „Stromsituation“ zu finden zurückziehen. Ich habe erfahren, dass jeder, der einen Stromanschluss hat, eine Grundgebühr bezahlt, die quasi so funktioniert wie eine Flatrate. Die Menschen bezahlen also jeden Monat einen festen Betrag für den Strom, auf den man aber vergebens wartet. Ich dachte dann als ich das wusste: „Vielleicht ist dieser Betrag ja so gering, dass es sich trotzdem rechnet.“ Weit gefehlt, die Summe die jeden Monat bezahlt wird ist für den Strom der dann wirklich kommt, so wie ich es erfahren habe, viel zu hoch! Den Leuten bleiben also zwei Optionen: Diese „Unfair-Flatrate“ oder gar kein Strom.

Zudem gibt es keine Stromzähler an den Häusern, dass heißt jeder bezahlt das selbe. Wenn aber die Situation eintritt, dass ein paar Leute nicht bezahlen, wird der Strom für alle abgeschaltet. Es heißt dann aus der Sicht von „NEPA“, dass das Dorf, der Stromgesellschaft Geld schuldet. Der einzige Stromzähler den ich bis jetzt gesehen habe, hängt im Haus von Gerhard und Sieglinde (zu den beiden später mehr). Sie wollten verständlicher Weise genau das bezahlen was sie verbrauchen, nicht mehr und nicht weniger. Mit einem Lächeln erzählten sie mir aber, dass der Stromzähler in der Anfangszeit unglaublich hohe Werte anzeigte. Dieses Problem ist mittlerweile behoben, aber es ist schon krass, dass die Dinger offensichtlich manipuliert werden. Naja,… im Großen und Ganzen könnte ich separate Briefe oder sogar ein Buch nur über diese „NEPA-Strom-Geschichte“ schreiben, aber schon die Vorstellung dazu erweckt in mir und wahrscheinlich auch in euch ein breites Gähnen, deswegen lasse ich es einfach.

Abends laufen an manchen Stellen z.B. auch in meinem Haus für ein paar Stunden Aggregate, was die Lage für mich entscheidend entschärft! Dieser Aggregatstrom ist auch der einzige Strom, der mein einziges elektrisches Licht im Zimmer (eine Neonröhre) ans Laufen bringt. Ihr fragt euch bestimmt, warum das mit dem normalen Strom nicht funktioniert. Ich werde es euch sagen. Eine Neonröhre verbraucht eigentlich nicht sehr viel Strom um zu leuchten, aber jeder von uns hat schon mal gesehen, wie so ein Ding anspringt: Es flackert, geht an und aus, bis es dann schlussendlich angeht und bleibt. Für diesen Zündungseffekt sorgt ein kleines Röhrchen (der Starter), was denselben Zweck wie ein Anlasser in einem Auto hat. Es zündet die Lampe. Genau für diese Zündung benötigt die Lampe aber offensichtlich mehr Strom, als den Durchschnittsverbrauch und genau dafür reicht „Nepa“ nicht. Der Strom kommt meistens mit einer Spannung von ca. 160-180 Volt an, dass heißt es ist für die Lampe, die den normalen 220 Volt Strom gewöhnt zu sein scheint, zu wenig. Naja, kein Problem, ich mag Kerzenlicht ziemlich gerne!

„Christ the King“, „Christus König“ ich weiß gar nicht ob das in Deutschland überhaupt noch zelebriert wird. Ihr könnt mich ja aufklären. Hier läuft das so: Man trifft sich um ca. 15 Uhr an einer Kirche, die ca. 3 Kilometer von der Kathedrale, dem Zentrum des Bistums entfernt ist und dann geht es los,….und wie!

Man macht sich mit ungefähr 2-3 tausend Menschen auf den Weg, den Fußmarsch zur Kathedrale. Es verläuft aber unter der brennend heißen Mittagssonne nicht so langweilig und zehrend wie das bei einer deutschen Prozession funktioniert. NEIN, es ist einfach unglaublich! Schon Tage vorher wird einem von allen Seiten gesagt: „Am Sonntag musst du tanzen!!!“ Dieser „Befehl“, ist nicht gerade förderlich dafür sich so wie die Leute hier im Tanz gehen zu lassen.

Man denkt zuerst, wenn auf einmal eine Menschenhorde anfängt zu tanzen und sich so anhört wie eine aufgeschreckte Elefantenhorde, nur dass man hier mehr Staub und Lärm erzeugt, wie soll ich mich bewegen,… tanzen? Alle rufen einem zu „Tanz, Tanz, Tanz“ und man wird immer unsicherer, bis dann diese Rufe irgendwann nach vielleicht 5 Minuten verstummen, wahrscheinlich weil die Lust fehlt dem „Onyeocha“ die ganze Zeit „Mut“ zu machen, anstatt einfach abzugehen. Genau dieser Moment, der vielleicht auch nur ein paar Minuten dauert, lässt einen ruhig werden, „die Ruhe vor dem Sturm“, denn danach kann man einfach nicht mehr aufhören, man tanzt einfach, ohne darüber nachzudenken wie man dabei aussieht, ob das Gesicht dabei entspannt und fröhlich oder konzentriert und vertieft wirkt. Alles scheißegal! Tanz, tanz, tanz, ja genau wie die Leute es gesagt haben, tanz einfach … und es geht so gut und einfach! Man kommt irgendwann fast in eine Trance, man sieht teilweise nichts mehr außer das was am Auge vorbeizeiht, was man aber nicht wirklich mehr wahrnimmt. Das ist wie Karneval, nur ausgelassener, besser, ohne Alkohol und nicht so lächerlich aufgesetzt und gezwungen glücklich.

Ich habe zwar schon immer Karneval gefeiert, aber nie wirklich verstanden, wie es funktioniert. Ich finde es irgendwie nicht richtig, wie von einem an Karneval verlangt wird, glücklich zu sein. Jeder muss fröhlich sein, „Helau“ oder „Alaf“ rufen etc., auch wenn einem vielleicht gerade gar nicht danach ist. Hier wird es zwar erwartet, aber … ach keine Ahnung, es geht einfach ab, es ist einfach wie eine Welle, ein Gefühl eine Atmosphäre, die einen mitreißt, bis man sich in seinem Zimmer nassgeschwitzt, weil man stundenlang in der prallen Sonne zwischen tausenden Menschen, die ebenfalls schwitzen und ziemlich dicht gedrängt sind, da die Straße nicht gerade eine 4-spurige Autobahn ist, getanzt hat, kaltes Wasser über seinen Körper laufen lässt und langsam wieder mit den Füßen den Boden berührt! Bevor ich mich aber in mein Zimmer begab trafen alle Leute in der Kathedrale zusammen und als ich da stand, die Sonne war mittlerweile schon untergegangen, und mich einfach mal umschaute und hörte, schriehen, klatschten, feierten, tanzten alle in der Kathedrale weiter, es klang wie auf einem guten Konzert oder in einem Fußballstadion!

Nicht weiter erwähnenswert ist glaube ich, dass die Jungs mit ihren Trommeln und Trompeten eine Stimmung gemacht haben, die unverwechselbar und überwältigend war. Ich habe tolle Bilder und Videos gemacht, auch in der Kathedrale, es ist zwar nur ein paar Sekunden lang und man sieht fast nichts, aber bei diesem Video geht es wie ihr euch bestimmt denkt nicht ums Bild, es geht um den Sound, der echt gut rüberkommt. Gänsehautfeeling! Ich habe noch nie so viel getanzt, so viel gefeiert und das alles ohne auch nur einen Schluck Alkohol! Die Stimmung macht einen locker und betrunken genug. Ich will gar nicht mehr aufhören darüber zu schreiben, aber ich weiß, ich kann nicht ansatzweise das rüberbringen, was es war und was in und mit mir vorging, dafür habe ich nicht dass gebrauchte Schreibtalent. Ich war nicht mehr ich selbst und ich habe mich im selben Moment so echt, authentisch, als ich selbst und richtig gefühlt wie noch nie zuvor. Ich höre auf und sage einfach es war unbeschreiblich großartig, den Rest überlasse ich eurer Phantasie!
Ich habe einen weiteren „Job“ neben meinem Lehrerdasein angenommen.

Ich sorge in der Kirche und auch bei anderen Feierlichkeiten für die richtige Stimmung. Nein, nicht das was ihr denkt. Wie euch schon beim letzten Abschnitt aufgefallen sein sollte, kann ich in diesem Punkt noch einiges lernen und ich bemühe mich ein guter Schüler zu sein. Bei meinem kleinen Job geht es darum, die Gitarren und Bässe in der Kirche zu stimmen. Ich (der Einzige Mensch im ganzen Umkreis der ein Stimmgerät besitzt) fahre also jeden Freitagabend zur Kirche und stimme die Instrumente. Ich habe ihnen schon versucht zu erklären, dass es kein Problem ist sein Instrument nach dem Keyboard zu stimmen, aber irgendwie scheint es ihnen nicht in den Kopf zu gehen, oder sie sind einfach nur froh, dass ich es mache. Naja, hin oder her, ich mache es halt und die Musiker in der Kirchenband (fast jede Kirche hat eine eigene Band, für mich mindestens dreizehntausend Mal besser als eine Orgel) sind mir dankbar, weil sie jetzt nicht mehr bei jedem Lied den richtigen Ton suchen und das ganze Lied nicht mehr auf einer Saite spielen müssen, denn das muss man leider, wenn ein Instrument nicht gestimmt ist.

Desweiteren, bin ich jetzt Mitleiter und Teilnehmer eines kleinen Schulchors, der mittlerweile auch schon ein deutsches Stück in seinem Repertoire hat (Möge die Straße) Ich spiele Gitarre und singe mit. Gar nicht so einfach!!!! Am Anfang steht man da, ein Haufen Leute singt einem Lieder vor, die man noch nie im Leben gehört hat und es wird einem gesagt: „Spiel doch mit auf deiner Gitarre!“ Jeder der Gitarre spielt weiß, dass das nicht so einfach geht. Also saß ich da, hab mir die Lieder angehört, mir die Melodien eingeprägt, sie dann in meinem Zimmer abends in Form von Noten aufgeschrieben um dann aus der Melodie die Harmonie zu ermitteln, das heißt, ich habe irgendwie die Akkorde ausgeknobelt. Die Manuskripte die dabei entstanden sind, sehen übrigens aus wie das Werk eines verrückten Wissenschaftlers, der alleine in seinem Keller im dunkeln Experimente dokumentiert.

Bei der nächsten Probe hieß es dann für mich erst mal, den Leuten zu erklären, dass sie sich nach dem Sound der Gitarre richten müssen, also dass ich die ersten Akkorde vorspiele, damit die Tonhöhe und Tonart klar ist, auf die man dann los singt. Diese Hürden habe ich zum Glück jetzt gemeistert und es klappt echt überraschend gut. Es bleibt zu erwähnen, dass es hier egal ist wie jemand singt. Ein Vorurteil über Afrikaner und Innen muss ich jetzt mal definitiv bestätigen, jeder Afrikaner kann singen und tanzen und das mit dem „Rhythmus im Blut“, ist hier eine Selbstverständlichkeit! Es liegt glaube ich daran dass hier jedes Kind vom Säuglingsalter an, auf dem Rücken von seiner Mutter getragen, zu fast jeder Zeit in irgendeinem Takt mit wippt. Das jedes Kind, bei jedem Lied und immer mitsingen möchte und das auch tut. Das es egal ist, wenn jemand schlecht singt, weil es zählt, DASS man singt und tanzt und nicht ob man der neue Star am Musikhimmel wird oder sich mit Fred Astaire messen kann. In Deutschland singt doch niemand! Jedem wäre es doch peinlich, wenn ein schiefer Ton zu Stande käme oder eine Textunsicherheit bemerkt würde. Hier ist das anders, man singt und tanzt einfach, sein Leben lang, jeden Tag und auch hier gilt: Übung macht den Meister! Wenn jemand sein ganzes Leben lang singt, dann kann er es auch, dann entsteht ein Gefühl dafür, wenn jemand sein ganzes Leben lang Takte, Beats und Musik im Ohr hat und sich dazu bewegt, dann kann er das auch, dann injiziert sich der Rhythmus ganz von selbst in das Blut des Jeweiligen! Die Blutgruppe der Menschen hier wechselt also quasi bei jedem Song, bei jedem neuen Takt…

Das Interesse an meinen meiner Meinung nach nicht überragenden musikalischen Fähigkeiten steigt, ich wurde gefragt, ob ich nicht im Kirchenchor mitsingen und in einer Kirchenband mitspielen möchte. Ich musste leider dankend ablehnen, da mir dafür echt keine Zeit bleibt. Ich möchte mein Leben hier ja nicht unter einem zu großen Haufen Arbeit und Hobbies vergraben, sondern auch ganz bewusst und auf jeden Fall auch ganz unbewusst und unterbewusst Afrika genießen und dafür muss und sollte man genug Zeit einplanen!

Am Samstag den 27ten November ging es ab nach Enugu, ich hatte mich da mit einem Tiroler Ehepaar verabredet, zwei Entwicklungshelfer, die schon seit über zehn Jahren in Afrika leben. Ich war echt ein bisschen nervös, bevor ich sie traf, ich meine, ich als kleiner 19 jähriger Junge, was habe ich den zwei erfahrenen Menschen, die mir nicht nur an Erfahrung, sondern auch an Alter um einiges voraus sind, zu erzählen? Inwiefern würden meine Ansichten die ich bisher gewonnen hatte verbessert oder über den Haufen geworfen werden? Ich hatte vielleicht einfach ein bisschen Angst, dass diese Experten mir so etwas sagen wie: „Hey Junge, komm mal wieder auf den Boden mein Freundchen. Du bist nicht der Erste, der das macht, und auch du hast noch viel zu lernen!“

Die Anspannung löste sich, als ich mit typisch afrikanischer Verspätung im sisterhouse der „daughters of divine Love“ in Enugu ankam. Ich sah Gerhard und Sieglinde aus dem Auto aussteigen, sie kamen auf mich zu und ich entschuldigte mich sofort für meine Verspätung etc., aber die beiden nahmen mich in den Arm und sagten: „Komm runter, hier unten laufen die Uhren halt anders.“ Ich glaube das war der Beste erste Satz, den sie hätten sagen können. Ich fühlte mich sofort wohl mit den Zwei, wir gingen anschließend zusammen einkaufen, in einem Supermarkt, einem richtigen Supermarkt, da gab es alles! Wirklich auch die sinnlosesten Kleinigkeiten, die man sowieso nicht braucht, aber alles ausländische Produkte. Hier eine Auswahl der größten Abstrusitäten: Colgate Zahnpasta, aber in vier verschiedenen Sorten, Captain Morgan Rum, Martini, Pringels, Parmaschinken (schreibt man das so?).

Und der größte Witz waren Erbsen, ich entdeckte sie neben den Sauergurken aus dem Spreewald. Es waren ca. 15 grüne Erbsen in einer kleinen Tüte verpackt, für 100 Naira. Mal ehrlich, wer wird denn von 15 Erbsen satt? Das ist weniger als eine Hand voll! Und dass für 100 Naira. Das war auch krass, diese ganze Importware war viel zu teuer! Eigentlich ja verständlich, dass es teuer sein muss, aber auf der anderen Seite können wir in Deutschland von Mango bis Papaya alles im Supermarkt zu einem Spottpreis kaufen! Naja genug mit diesem Import-Export-Labyrinth. Wir kauften dann Fleisch, Pilze, Petersilie, Kartoffeln, Salatgurken, Tomaten, Mais und neben ein paar anderen Sachen natürlich Bier, Star, ein super Pilz, wie es zu einem guten deutschen Essen dazugehört. Dann ging es zurück ins Haus der Beiden, ein wirklich schönes Haus, verziert mit unglaublich schönen Kunstgegenständen aus ganz Afrika, ganz ganz schöne Bilder und Skulpturen, Masken und andere Dinge, von denen ich den Namen nicht kenne. Das ganze Haus ist wirklich superschön von den beiden eingerichtet worden!

Am Anfang war das Hauptzimmer in dem wir uns aufhielten aber die Küche. Jeder kochte etwas, ich z.B. schälte Kartoffeln, schnitt Tomaten und machte Salat. Am Ende hatten wir ein ganzes deutsches Mal gekocht, was wirklich so so gut schmeckte! Das soll jetzt nicht bedeuten, dass das afrikanische Essen nicht schmeckt, nein, ich esse fast alle afrikanische Speisen jeden Tag immer wieder sehr gerne und es ist wirklich gutes und schmackhaftes Essen, aber ab und zu, tut es auch gut, nochmal Kartoffelpüree und andere deutsche Köstlichkeiten zu verschlingen. Dazu gab es dann einen Tiroler Radiosender über das Internet, der Volksmusik und Schlager spielte, was mir ehrlich gesagt so gut rein ging, dass ich mich ein bisschen für mich selbst schämte, als ich auf diese Lederhosen-Musik mit dem Fuß mitwippte.

Es war einfach echt ein schöner Abend und nach anfänglicher Skepsis, ob sie meinen Mosel-Dialekt verstehen und ich ihren Alpenslang, wurde nach 5 Minuten einfach gequatscht, natürlich hauptsächlich über Afrika, aber ich konnte halt echt entspannen, da ich auf deutsch sprechen konnte, was einfach einfacher ist, selbst wenn ich englisch beherrsche und ich alles ausdrücken kann was ich will, ist die Muttersprache viel entspannter zu Sprechen! Die Gespräche waren nicht nur echt gut, entspannend und deutsch, sondern auch sehr lehrreich. Mir wurde wieder einiges über Nigeria und den Durchschnittsnigerianer bewusst gemacht. Überaschend und schön war es vor allem, dass viele meiner eigenen Interpretationen sich als wahr und richtig herausstellten und dass ich mich bis jetzt anscheinend echt gut gemacht und richtig verhalten hatte und ich glaube sagen zu können, dass es für beide Seiten ein sehr interessanter Abend gewesen ist.

So haben die beiden auch einiges von mir zu hören bekommen und ich denke, dass die Sachen die ich sagte für die beiden als wissenswert empfunden wurden und nicht als unqualifizierte Äußerungen eines kleinen Jugendlichen, der halt mal eine kurze Zeit in Afrika verbracht hat. Um 9 Uhr hatten mich die zwei wieder im Sisterhouse abgesetzt und wir verabschiedeten uns mit dem Vorsatz, diesen Abend baldmöglich zu wiederhohlen. Dann ging ich an die Rezeption und quatschte noch ein bisschen mit den Schwestern/sisters/Nonnen. Ich erzählte was ich so mache, schenkte ihnen ein paar Kekse, das macht man hier so, man bringt immer was mit, ich hatte auch schon Kekse für meine Freunde in Awgu besorgt und packte dann meine ganzen Ibo-Kenntnisse aus.

Die zwei Frauen waren begeistert und wir drei hatten einen riesen Spaß da in der Rezeption! Ich hatte schon alles bezahlt und mich schon mittags angemeldet, sodass ich dann abends stressfrei mein Quartier aufschlagen konnte. Ich hatte ein Zimmer ohne TV und ohne jeglichen Schnick Schnack bestellt, weil ich wusste, dass ich diesen ganzen Kram nicht brauchen würde, aber wie das so ist, sind Nonnen auch „nur“ Frauen. Damit will ich sagen, dass wenn man sie ein bisschen nett anlächelt, ein bisschen charmant ist und dann noch auf Ibo Danke, Bitte und gute Nacht sagen kann, wird man in ein Zimmer mit Balkon, TV und allem drum und dran geführt und wenn da eine Lampe nicht klappt, dann sucht die Schwester weiter, bis sie das perfekte Zimmer gefunden hat. Ich hätte nicht gedacht, dass man zwei Nonnen so schnell verrückt machen kann,….hihi! Ich hätte nie gedacht, dass die zwei so anfällig für meinen Charme, der nicht übermäßig ausgeprägt ist, sein würden. Auf gut deutsch gesagt hatte ich die beiden Nonnen in kürzester Zeit um den Finger gewickelt und wie gesagt, hatte ich davon sehr profitiert, was meine Laune nach dem sowieso schon sehr gelungenen Abend in einen Euphoriezustand brachte, der mich erst spät einschlafen ließ.

Am nächsten Morgen, nachdem ich mich nach dem Frühstück ein bisschen im Kloster (Kloster: Eigentlich das falsche Wort, denn … da gab es Leben, Energie, einfach nicht so stumm und verstaubt, wie diese Stimmung die deutsche Kloster für mich ausstrahlen) umgesehen hatte und mir ein Bild gemacht hatte, klingelte mein Handy während ich ein paar dieser Zeilen tippte. Ich wunderte mich zuerst, weil ich diesen Klingelton nicht kannte, aber nachdem ich auf dem Bildschirm meines Handys die Erinnerung 4 Monate sah, entwickelte sich ein melancholisches Lächeln auf meinem Gesicht.

Mir wurde so richtig klar, wie wohl und gut ich mich hier fühle. Ich war an diesem Tag für 16 Wochen, für 112 Tage, für 2688 Stunden, für 161280 Minuten, für 9676800 Sekunden hier. Ich fühlte mich gut und schlecht. Mein Lächeln war wie gesagt mit einem sehr melancholischen Gefühl in der Magengegend verbunden, dass mir unmissverständlich klarmachte, wie schade ich es finde, dass schon fast ein Drittel der Zeit um ist. Das ging viel zu schnell! Das ich gerade erst Gerhard und Sieglinde kennengelernt hatte, die seit 1999 glücklich in Afrika leben, war nicht gerade förderlich dafür gegen diese Stimmung anzukämpfen. Im Moment denke ich zwar schon viel zu weit in die Zukunft, was eigentlich gar nicht meine Art ist, aber ich denke und fühle, dass ich eigentlich nicht mehr weg will! Das ist jetzt kein Grund zur Sorge Mama und Oma, ich komme natürlich wieder, ich will mir doch das deutsche Studentenleben nicht entgehen lassen. Außerdem liebe ich meine ganzen Leute in der Heimat viel zu sehr!

Ich habe meine Haare wieder flechten lassen, zum voraussichtlich letzten Mal. Jedes Mal wenn ich bis jetzt meine Mähne, durch diese durchaus nicht schlecht aussehende Art seine Haare zur Schau zu stellen, bändigen wollte, bekam ich immer von einigen Menschen, meistens alten Männer und Frauen Sachen gesagt wie: „Ey sag mal, was soll denn das? Du bist doch keine Frau!“ Ich habe natürlich immer gelächelt und mich irgendwie rausgeredet, aber dass es ihnen nicht gefallen hat habe ich selbstverständlich registriert. Ich habe diese Beschwerden immer höchst gelassen überhört, bis mir eines Tages ein Mann, ein alter Mann, den ich schon kennenlernen durfte, der immer nur lacht und der immer einen guten Spruch auf Lager hat, mir sagte: „Warum machst du das? Das solltest du nicht tun!“ Ich reagierte eher forsch und sagte: „Ich weiß ich bin keine Frau, aber es gefällt mir und es ist auch einfach praktisch!“

Ich hatte mit jeder Antwort gerechnet, außer mit der die dann kam: „Buch Deuteronomium, Kapitel 22, Vers 5“ Ich war verwirrt, bis er sagte: „Schau nach, du solltest deine Bibel kennen!“ Ich gehöre zwar nicht zu den Menschen, die ihr ganzes Leben nach der Bibel richten, aber als ich den Absatz, der nur aus einem einzigen Satz besteht las, musste ich erst mal laut lachen, aber ich machte mir natürlich auch so meine Gedanken. Ich war zwar, wie gesagt eher erheitert, als ich das las, aber ich dachte, wenn es jemanden so stört und dann sogar noch in der Bibel steht, sollte ich es vielleicht in Zukunft vermeiden meine Haare flechten zu lassen! Wer die Bibel kennt, der ist wahrscheinlich schon am schmunzeln, wer nicht, der sollte nachschlagen! Kein Problem, so wichtig war mir das mit dem Flechten sowieso nicht, vor allem, weil ich meine Haare ja jetzt ohne Probleme mit einem Haargummi am Hinterkopf fixiert bekomme. Eins steht aber fest: Ich werde mir meine lieben, guten Haare nicht abschneiden, egal was irgendjemand oder die Bibel sagt!

Ich habe endlich geschafft es richtig rüberzubringen, dass ich sehr interessiert an afrikanischer Kunst bin. Ein bisschen enttäuscht war ich schon fast von Nigeria, da es hier so etwas wie diese typischen afrikanischen Masken, Skulpturen etc. nirgends zu sehen gibt. Eine Antwort die ich bekam war, dass viel Wissen und Kunst an sich durch die Bürgerkriege verloren gegangen ist. Schade! Father Stan hat mir aber vorgeschlagen mit mir mal nach Enugu zu fahren, wo es anscheinend einen Laden gibt, der genau diese afrikanische Kunst verkauft. Die Erwartungen an diesen Laden sind riesig, ich hoffe nur, dass er die Erwartungen erfüllt, was glaube ich gar nicht möglich ist, da meine Erwartungen auf einem Level stehen, wo man schon jeden Kunstgegenstand aus einem riesigen und vielfältigen Kontinent wie Afrika zusammentragen müsste…hmm…Mal sehen, was wird.

Das einzige was es hier wirklich zu sehen und zu kaufen gibt, ohne das ich nicht mehr nach Hause kommen werde, sind ein paar Instrumente, wie z.B. „Egwe“ (falls man das so schreibt) und eine ganz spezielle Holzflöte, die es mir ganz besonders angetan hat. Dieses „Egwe“ ist eine Art Röhre aus Holz, die wenn man mit anderen Holzknüppeln darauf trommelt einen unverwechselbaren, wunderschönen und sowas von afrikanischen Klang erzeugt, dass ich nicht anders kann als mir so ein Ding zu sichern! Diese ganzen Instrumente sind nicht nur wohlklingend, sondern sehen dazu noch wunderbar aus und sind alle aus diesem typischen weichen und schweren Tropenholz geschnitzt. Genug in Sachen Kunst, was ich wirklich kaufen werde und was hier in Nigeria bleibt seht ihr, wenn ich wieder zurück bin.

Am fünften Dezember, also dem aus zweiten Adventssonntag begaben sich Stan und ich wieder, wie jeden Sonntag, zur Morgenmesse in die naheliegende Pfarrei „Holy Cross“ Nachdem ich die diesmal ein bisschen zehrende Messe, die ca. vier Stunden dauerte (Rekord ist sieben Stunden), überstanden hatte wurde ein Basar veranstaltet, dass heißt eine Versteigerung von Essen, Eimern, Töpfen, etc. Das Zehrende an der Messe war übrigens nicht die Messe selbst, es waren die unendlich scheinenden Kollekte. Ich sah Menschen, die bis zu viermal nach vorne tanzten um zu Spenden. Naja diese mehrmaligen Kollekten sind keine Seltenheit, hier wird im Verhältnis, bei kleinerem Einkommen als in Deutschland mehr und öfter gespendet, als in meiner Heimat. Das mag zum einen nach Geld-Macherei klingen, was es vielleicht auch manchmal ist, aber auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass die Kirche hier in Nigeria in meinen Augen viel mehr macht. Das fängt bei Krankenhäusern und Schulen an und hört bei, Förderungen für Schüler die ihr Schulgeld nicht bezahlen können auf. Zudem ist die Kirche hier einfach auch als Arbeitgeber für viele viele Menschen nicht wegzudenken. Desweiteren muss man natürlich berücksichtigen, dass es hier so etwas wie Kirchensteuer nicht gibt, die Kirche sich also anders finanzieren muss, nämlich ausschließlich durch Spenden. Darüber wie ich mir das insgesamt in Sachen Steuerwesen in Nigeria ausmale berichte ich vielleicht ein anderes Mal.

Naja…zurück zum Tagesablauf. Als wir beide uns auf den Heimweg machten sagte Stan ganz spontan und unvorhergesehen zu mir: „Hey, hast du Lust nach Enugu zufahren, da könnten wir noch die zweite Hälfte von einem Erstligaspiel sehen.“ …. Meine Antwort war ungefähr so: „Machst du Witze? Klar hab ich Bock!“ So war es dann, nachdem ich mir andere Schuhe angezogen, meine Toilette besucht und sie danach mit meinem von morgens aufgehobenen Waschwasser gespült hatte ging es schon wieder weiter in Richtung Enugu. Es war echt schön und die Stimmung war trotz des mäßigen Besuchs im Stadion echt ganz cool. Das Ergebnis des Spiels war ein 5 zu 1 Heimsieg für Enugu, bei dem ein Spieler, den Stan früher einmal während seiner ersten Priesterjahre trainiert hatte, eine Torvorlage und ein Tor machte. Schon als wir kamen und der junge Mann gerade eingewechselt wurde, wurde von Stan über diesen Spieler immer nur mit: „This is my boy“ „das ist mein Junge“ gesprochen. Nicht erwähnenswert also, dass er stolz und ich gut gelaunt war, als wir uns auf den Heimweg begaben.

Im Auto habe ich nochmal einiges erfahren dürfen, über Nigeria, den Bürgerkrieg, frühere, aktuelle und voraussichtlich zukünftige Spannungen etc. Sehr interessant, aber zu komplex um es hier in ein paar Zeilen abzuhacken. Ich gebe euch nur einen ganz ganz kleinen Einblick: In Nigeria gibt es über 300 verschieden Stämme, die drei größten und erwähnenswerten sind Ibo, Haussa und Yoruba. Die Ibos, unter denen ich weile sind zum allergrößten Teil Christen und leben im Süden und Süd-Osten. Die Haussas aus dem Norden sind durch die Bank alle Moslems. Über die Yorubas weiß ich nicht so gut Bescheid, also möchte ich mir nicht anmaßen über diesen ganz bestimmt wichtigen und interessanten Stamm weitere Worte zu verlieren. Zusammengefasst gibt es also Moslems neben Christen, Viehzüchter und Bauern neben Businessmännern, arm neben reich, etc. Das da Spannungen vorprogrammiert sind ist glaube ich klar. Naja im Großen und Ganzen ging es glaube ich, damals ungefähr darum, dass Die Ibos einen eigenen Staat unabhängig von Nigeria (Biafra) wollten und das dem Rest Nigerias nicht ganz so gut gefallen hat. Natürlich ist das Problem z.B. auch auf Grund von der Lage von Erdölförderungsstandorten, die sich zu 100 Prozent im Süden befinden noch viel komplexer, aber wie gesagt, es soll nur ein kleiner Einblick sein.

Neben dem schon eben erwähnten Interesse an meinen musikalischen und pädagogischen Fähigkeiten, steigt das Interesse an meinen fußballerischen Fähigkeiten ca. exponentiell zu den Tagen an denen ich wirklich Zeit finde zu spielen. Mittlerweile spiele ich in der Stadt-/ Dorfmannschaft. Natürlich werden von mir nur sportliche Höchstleistungen erwartet, die man wirklich nicht erfüllen kann. Ich meine, nur weil ich weiß bin, bedeutet das ja nicht, dass ich automatisch Lionel Messi wiederspiegele, vor allem nicht fußballerisch, aber das diese Erwartungen kein normal Sterblicher erfüllen kann, wurde von den Jungs früh genug festgestellt. Nämlich am 6. Dezember, am Tag, an dem morgens auch in der Schule in allen Klassen mein Deutschexamen geschrieben wurde, dazu aber später noch mehr.

Also … Wir fuhren ungefähr um vier Uhr zum „Sportplatz“ und nach einem anderen Spiel was wir uns ansahen und ein bisschen Aufwärmen, obwohl aufwärmen vielleicht das falsche Wort bei den aktuellen Nachmittagstemperaturen ist, ging es los. Ich wurde natürlich als Nummer Zehn sofort mal im zentralen Mittelfeld aufgestellt, sozusagen als „Spielmacher“. Ich weiß nicht was los war, aber irgendwie war ich wirklich richtig schlecht! Ich bin es aus Deutschland gewöhnt, dass ich zwar kein Überflieger bin, aber dass in mir immer ein verlässlicher und guter Spieler zu finden ist. Hier war das komplett anders, der Ball flog an allen Seiten an mir vorbei, aber wirklich zu mir kam er fast nie, ich schien immer zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und ich fühlte mich wie unsichtbar auf dem Spielfeld. Nach ca. einer halben Stunde wurde ich dann ausgewechselt und anstatt das mir die Leute mal gesagt hätten: „Ey, Steph, was war das denn? Hättest ja vorher Bescheid sagen könne, dass du nicht fit bist.“ Bekam ich immer nur zu hören: „Sehr gut gespielt, du musst dich halt noch an das Spiel hier gewöhnen.“

Ich hätte mal jemand gebraucht, der mich anschreit, ich solle Gas geben und nicht auf dem Feld rumträumen. Vielleicht kennen ein paar von euch den Film „Space Jam“ mit der Basketballlegende „Michael Jordan“ in der Hauptrolle. Es ist ein Kinderfilm, aber in diesem Film bricht Michael Jordan, der sich übrigens selbst spielt, seine Basketballkarriere ab um zum Profi-Baseball zu wechseln. Er ist der mit Abstand schlechteste Spieler von allen und schafft nicht einen einzigen Punkt. Trotzdem wird er immer gelobt und er bekommt immer Sachen zu hören wie: „ Wow, deine Haltung, ganz toll, sowas kann man nicht lernen, du hast es einfach von Natur aus drauf!“ Er wird also total gelobt obwohl er grottenschlecht ist. So ging es mir auch. Naja mittlerweile hab ich die Ausrede mit dem „Du musst dich erst mal an den Fußball hier gewöhnen“ so oft gehört, dass ich es fast schon selbst glaube. Ich habe mir vorgenommen zu trainieren und besuche jetzt jedes Training, um hier mal was reißen zu können, was mir glaube ich auch gelingen wird, denn im Prinzip kann ich es ja!

Jetzt zu dem schon im letzten Abschnitt angesprochenen Examen. Alle Klassen von eins bis sechs haben es geschrieben mein Examen, genauer gesagt, meine 6 verschiedenen Examen, die ich auf den durchgenommen Lehrstoff und auf Alter der Kinder angepasst hatte. Es war im Ganzen ein gutes-durchschnittliches Ergebnis und ich war zufrieden, als ich die über 600 korrigierten Arbeiten einen Tag später zurückgab. Ich hatte bei manchen Klassen ein bisschen Bauchweh, nämlich in den Klassen in denen die Noten eher schlecht ausgefallen waren. Ich sprach mit meinem Kumpel „Paul“ der Französisch unterrichtet über diese Klassen und er sagte, dass genau diese Klassen bei ihm auch total versagt hätten, was mich nicht an meinen Fähigkeiten als Lehrer zweifeln ließ, da ich weiß, dass Paul ein guter Lehrer ist. Ich war vor allem froh, dass die ganz kleinen, also die Klassen 1A, 1B, 2A, 2B und 2C ein sehr gutes Ergebnis erzielt hatten. Ich meine, die können noch nicht mal richtig schreiben und sollen dann eine ganze Abreit in deutscher Sprache überstehen. Ich hatte diese Test natürlich eher als „Multiple-Choise“ Test ausgelegt, sodass die Kinder nur die Wörter den Bildern zuordnen und sie dann aufschreiben mussten. Es hat geklappt und ich bin stolz und glücklich!

In den nächsten zwei Wochen, die gleichzeitig die letzten vor den Weihnachtsferien waren, hatte ich nicht mehr so viel zu tun. Ich hatte meine Examen in zwei Tagen korrigiert, hatte also genug Zeit mir mal zu überlegen: „Was machst du jetzt eigentlich?“ Bei diversen Hilfsarbeiten für die anderen Lehrer, wie z.B. ganz viel Kopfrechnen, wurde mir wieder klar, dass ich ja auch „nur“ Hilfslehrer, kein richtiger Angestellter bin. Ich bin ein Freiwilliger, der seinen Dienst in dieser Schule verrichtet. Es wurde mir nämlich wieder klar, dass es gut und richtig so ist, denn es liegt in der Idee meines „Hilfsdiensts“ selbst und auch in meinem Interesse, dass ich zwar natürlich arbeite und meinem Aufenthalt somit einen Sinn und mir eine Beschäftigung gebe, aber keinesfalls sollte meine Arbeit einen Status erreichen, dass ein anderer potentieller Lehrer ersetzt würde. Kurz gesagt, ich arbeite zwar in der Schule, aber ich nehme keinem Einheimischen anderen den Posten oder die Arbeitsstelle weg. Mein Deutschunterricht ist eher eine Zusatzleistung, die die Schule anbietet und meine Musikstunden gestalten sich sowieso eher wie eine Pause, in der man mit seinem Lehrer ein bisschen auf der Gitarre rumtrommelt und spielt und dazu manchmal sogar singt. Kurz und gut: Wenn ich nicht da wäre, gäbe es an dieser Schule keinen Deutsch- oder Musikunterricht!

Als letztes schreibe ich dann noch kurz über die Weihnachtsfeier in meiner Schule, die wir (alle Lehrer) in der Schule veranstaltet haben. Es gestaltete sich ein bisschen wie ihr euch ein Sommerfest in einer deutschen Schule vorstellt, vor allem wegen den hohen Temperaturen. Am elften Dezember fand dieses Spektakel statt, an dem nicht nur alle Kinder als „Igwe“, (König) und „Lolo“ (Königin) verkleidet in einem Wettbewerb um den Besten der Schule antraten, sondern ich auch mit einer Auswahl von besonders talentierten Sängern und vor allem Sängerinnen zehn Lieder vorführte. Das Zusammenspiel aus europäischen Gitarrenklängen und afrikanischen Stimmen kam wirklich gut an und ich bekam wieder viele Komplimente, nicht nur von Lehrern und Schülern, sondern auch von „Außenstehenden“. Es war von der ersten Sekunde, als die anderen Lehrer und ich um 6:30 Uhr (morgens) kochten und alle Pavillons aufbauten etc. bis zur letzten Sekunde, als wir dann um ca. 7:30 Uhr (abends) auch nach Essensverteilungen an Schüler und den Wettbewerben, die vor allem aus tänzerischen Vorführungen bestanden (wunderbar), auch bei ein paar Bieren zum Essen kamen und auf einen wirklich schönen und erfolgreichen Tag zurückblicken konnten, ein toller und erfüllender Freitag!

Das war es mal wieder. Ich wünsche euch schöne Weihnachten und ich hoffe ich konnte euch wieder ein bisschen unterhalten, obwohl es ja nicht nur um Entertainment gehen soll, sondern meine Berichte sollten im besten Fall auch zum Denken und Fühlen, zum Mitdenken und Mitfühlen und zum Nach- und vielleicht sogar zum Weiterdenken anregen.

Für diejenigen für die dieser Rundbrief der Erste ist, den sie von mir lesen, kann ich nur sagen: „Da gibt’s noch die ersten vier!“ An den Rest bleibt abschließend zu sagen: Das Ende dürfte euch geläufig sein. Während es euch vielleicht sogar nerven könnte oder euch gar nicht mehr so richtig auffällt was ich da immer schreibe, ist es für mich und hoffentlich auch für ein paar gefühlvolle und aufmerksame Leser und Innen immer noch mit mehr Gefühl, Gänsehaut und Sinn verbunden, als irgendetwas was ich sonst in Worte fassen kann.

Auf ein Wiedersehen in der Heimat

…Was mir den Sinn dieser Phrase, die aus den alten Briefen meines Opas stammt, in den letzten Tagen und Wochen noch einmal auf sehr gefühlvolle Art bewusst gemacht hat, ist folgender Song: „Komm gieß mein Glas noch einmal ein“ von Reinhard Mey …Danke Peter, verlass dich drauf:„Heut trinkt ich meinen Freunden nach…“

Ogonugu Ndu … das bedeutet soviel wie Prost, eigentlich bedeutet es „ein langes Leben“, aber das sagt man hier halt beim anstoßen, zu welchem ihr hier und jetzt herzlichst eingeladen und aufgefordert seid. Also macht euch ein Bier auf und genießt mit mir ein bisschen diesen herrlichen Kontinent!

Euer Steph

Stephan Nnaemeka Mertes

Was meinen Sie dazu?

Schreiben Sie einen Kommentar

Beachten Sie bitte, dass Ihre Kommentare auf der Website veröffentlicht werden. Für direkte Fragen benutzen Sie bitte das Kontaktformular oder die ggf. im Beitrag angegebenen Kontaktdaten.

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert